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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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hatte er ein Exemplar von Ptolemäus' »Geographica« bekommen. Das kostbar gebundene Buch, das Karten aller bekannten Länder der Erde enthielt, lag aufgeschlagen auf dem Tisch im Arbeitszimmer des Arztes, und Serafina studierte es aufmerksam.
    Plötzlich fiel Kara Ali der Abend vor sechs Jahren ein, als er ihr den sagenhaften Greifvogel, den Löwen, Bären und Elefanten gezeigt hatte. Die Erinnerung daran traf ihn wie ein Schlag. Er wartete, bis sie die entsprechende Karte aufschlug, und sagte dann: »Wir befinden uns hier – zwischen Oran und Algier. Und dort«, er ließ die Fingerspitze über das Mittelmeer zur Südküste Frankreichs gleiten, »liegt Marseille. Dein Geburtsort – deine Heimat.«
    Sie hob den Kopf und schaute ihn an, doch wie immer verbargen ihre Augen ihre Empfindungen. »Deine auch, Papa.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, als ich den Turban nahm, sagte ich mich damit auch von meiner alten Heimat los. Ich bin jetzt Moslem – mein Zuhause ist hier.« Er hatte sie nie zuvor aufgefordert, eine Wahl zu treffen. Jetzt sagte er behutsam: »Es könnte auch deine Heimat werden, Tochter.«
    Sie antwortete nicht. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, daß sie sich Zeit nehmen würde, um das Für und Wider abzuwägen, wie er es getan hatte, als er vor vielen Jahren vor derselben Entscheidung stand. »Du mußt dich nicht gleich entscheiden, Kleines«, sagte er. »Ich wollte dir nur klarmachen, daß du die Wahl hast.«
    Sie musterte ihn abwartend. Er trat ans Fenster und schaute hinaus. Der Nachthimmel war mit Sternen übersät. »Ich muß dir vom Tod deines Vaters erzählen.« Er wandte sich ihr zu. Erregung flackerte in ihren Augen auf, doch gleich darauf war ihr Blick wieder unergründlich.
    »Über den Tod meines Vaters?« Sie legte die kleinen, schmalen Hände aneinander. »Mein Vater ist im Bagno von Algier am Fieber gestorben.« Es klang wie eine auswendiggelernte Litanei, als bedeute es ihr nichts.
    Kara Ali seufzte. Plötzlich fühlte er sich grenzenlos müde. »Es stimmt, daß dein Vater im Bagno starb«, nickte er, »aber nicht am Fieber. Ich habe dir das seinerzeit erzählt, weil du noch ein Kind und mir schon sehr ans Herz gewachsen warst, doch ich glaube, jetzt bist du alt genug, um die Wahrheit ertragen zu können. Mein Tod ist nicht mehr fern, und ich fühle mich verpflichtet, dir den wahren Sachverhalt zu offenbaren, solange ich noch Gelegenheit dazu habe.«
    Sie starrte ihn unverwandt an. Das Lampenlicht schimmerte auf dem zarten Schleier, der ihre seidigen schwarzen Haare bedeckte. Es gab keinen schonenden Weg, ihr zu sagen, was sie erfahren mußte.
    »Dein Vater wurde getötet. Dieselbe Person, die deinen Tod wünschte, wünschte auch den seinen, und in diesem Fall wurde der Wunsch erfüllt. Dem Korsaren, der die Schiffe deines Vaters kaperte, wurde eine große Summe dafür geboten, die wertvollen Geiseln ermorden zu lassen.«
    Serafina schwieg lange. Schließlich bat sie mit hölzerner Stimme: »Sag mir, wie er den Tod fand.«
    Davor hatte dem Arzt am meisten gegraut, doch er erzählte es ihr, schlicht und ehrlich, denn er hatte das Gefühl, ihr das schuldig zu sein. Als er geendet hatte, glaubte er zu spüren, daß ihr Schutzschild eine weitere Schicht dazubekommen hatte. »Kleines«, sagte er, »ich habe dir das nicht erzählt, um dir Kummer zu bereiten, sondern um dir eine Wahl anzubieten. Wenn du Moslem werden willst, werde ich dir die Freiheit geben, einen guten Mann für dich suchen und dich zu meiner Erbin machen. Viel hast du allerdings nicht zu erwarten, denn nach islamischem Gesetz habe ich keinen Besitz. Andererseits stelle ich dir aber auch frei, nach Frankreich zurückzukehren, doch ich befürchte, daß du dich in diesem Fall in Gefahr begeben würdest – ebenso, wie du vor sechs Jahren in Gefahr warst, als der türkische Soldat hierherkam, um mich zu veranlassen, dich zu töten. Ich glaube«, er suchte nach den richtigen Worten, »daß die Bedrohung aus Frankreich kommt.«
    Sie schaute ihn stirnrunzelnd an. »Was bringt dich zu diesem Verdacht, Papa?«
    Er setzte sich zu ihr an den Tisch. »Ich hatte viele Jahre Zeit, darüber nachzudenken. Nachdem dein Vater nach Algier gebracht worden war, haben sich die Unterhändler des Korsaren mit Sicherheit mit deiner Familie in Marseille in Verbindung gesetzt und ein Lösegeld gefordert. Ich denke, daß das Geld zwar geschickt wurde, aber nicht als Lösegeld, sondern um sicherzustellen, daß weder du noch dein Vater jemals

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