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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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abgeklappert hatte, verabschiedete sich von Cristofano und ging in sein Zimmer, um sich seiner nassen Kleider zu entledigen.
    Er hatte Serafina beinahe wieder vergessen, aber nur beinah. Er hatte ihr Bild entschlossen weggeschoben, doch es hatte sich in seinem Hinterkopf festgesetzt. Er bedauerte schon längst, daß er sich dazu hatte hinreißen lassen, ihr von seinem Zusammentreffen mit dem Notar zu erzählen, doch er beruhigte sich damit, daß Serafina seiner Einladung ohnehin nicht nachkommen würde.
    Doch da hatte er sich geirrt: Als er die Tür zu seinem Zimmer öffnete, sah er sie auf einem Hocker am Kamin sitzen! Ihr Blick war nicht auf die Tür gerichtet und auch nicht auf die Flammen, sondern starr auf die gegenüberliegende Wand. Als Thomas eintrat, stand Serafina auf. »Ich hoffe, Sie verzeihen mir mein Eindringen, Monsieur Marlowe. Der Wirt meinte, ich dürfe hier warten. Ich habe das Dienstmädchen gebeten, Feuer zu machen.« Sie trug das graue Kleid, mit dem er sie heute schon einmal gesehen hatte. Die triste Farbe, nur aufgelockert durch einen schlichten weißen Kragen, bildete einen starken Kontrast zu ihren glänzenden Haaren und dem samtenen Schimmer ihrer Augen. Sie sah sehr jung aus mit dem vom Regen nassen Rocksaum und dem bloßen Kopf – fast so kindlich und wehrlos wie damals auf der Tartane.
    Thomas warf seinen durchnässten Mantel und den triefenden Hut auf die Kommode. »Setzen Sie sich doch wieder hin. Haben Sie schon zu Abend gegessen?«
    Sie nickte und ließ sich wieder auf dem Hocker nieder. Thomas hatte zwar noch nichts gegessen, aber er verspürte keinen Hunger – viel eher Lust auf einen ordentlichen Schluck Alkohol, um damit die Kälte aus seinen Knochen zu vertreiben. Er öffnete die Tür und bestellte Wein.
    Auch seine Kleider waren naß. Er zog sein Wams aus und hängte es über die Stuhllehne. Dann stellte er sich ans Feuer, um Hemd und Hose zu trocknen.
    »Haben Sie einen Geldgeber gefunden?« fragte Serafina. Ein Schankgehilfe brachte einen Krug Wein und zwei Becher.
    Thomas schüttelte den Kopf. »Es sieht so aus, als hätten alle Kaufleute hier entweder genügend Schiffe oder bevorzugten – wie Ihr Arbeitgeber – Maultiere für den Transport ihrer Waren. Die Schiffe sind klein, in schlechtem Zustand und nur mangelhaft bewaffnet – aber die Herren scheinen damit zufrieden zu sein.« Er schenkte Wein ein und reichte Serafina einen der Becher, doch sie lehnte ab.
    Die Wärme, die beim ersten Schluck durch seine Adern floß, machte ihm Appetit auf mehr. »Als ich Marseille verließ«, sagte er, »erklärten Sie mir, Sie würden bei Ihrer Kinderfrau Marthe wohnen, und jetzt finde ich Sie im Hause des Kaufmanns Capriani.«
    Serafina starrte vor sich hin. »Marthe ist tot«, antwortete sie tonlos.
    »Ich weiß, der Notar hat es mir erzählt; sie starb bereits vor Jahren – als Sie in Algier waren.« Thomas fuhr sich mit gespreizten Fingern durch seine Locken. Wassertropfen spritzten. »Warum haben Sie mich angelogen?«
    »Sie wollten mich loswerden – also habe ich Ihnen eine Geschichte aufgetischt, die Ihnen den Eindruck vermittelte, Kara Alis Bitte erfüllt zu haben.«
    Die Illusion der Wehrlosigkeit zerplatzte wie eine Seifenblase und wurde von der ihm bekannten Arroganz abgelöst. Thomas spürte erneut Zorn in sich aufsteigen. Der Raum war klein, mit schäbigen Möbeln vollgestopft und wirkte dadurch noch beengender. Serafinas körperliche Nähe verunsicherte Thomas; verstärkte seinen Ärger. »Seine Bitte? Das klingt, als habe er mich höflich ersucht, seine ehemalige Sklavin nach Marseille zu bringen. Aber so war es, weiß Gott, nicht, er hat mich erpreßt! Und nachdem ich meine Schuldigkeit getan hatte, wurde ich von Ihnen weggejagt wie ein Hund.« Himmel – was redete er da?
    Serafina hob den Kopf und sah ihn an. Die eine Hälfte ihres Gesichtes leuchtete golden im Feuerschein. »Sie wollten Marseille verlassen, und ich ließ Sie gehen. Hatten Sie etwas anderes erwartet, Monsieur Marlowe?«
    Vertrauen – dachte er – doch er sagte: »Ehrlichkeit.«
    Ein angedeutetes Lächeln umspielte ihre Lippen. »Ein anspruchsvoller Wunsch, Monsieur Marlowe.«
    Er ließ den Atem mit einem ärgerlichen Zischen entweichen und füllte erneut seinen Becher. »Sie waren meinem Schutz unterstellt.«
    »Nur, bis wir Marseille erreichten – so lautete die Vereinbarung. Außerdem bin ich nicht hierhergekommen, um mit Ihnen über längst Vergangenes zu diskutieren. Sie sagten, Sie

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