Serafinas später Sieg
kam, um ihm zu sagen, daß der Herr ihn erwarte. Thomas hatte eben noch Zeit, einen Blick auf ihr herzförmiges Gesicht zu werfen und sie sagen zu hören: »Er wird Ihnen nicht helfen – er reist mit Maultieren«, bevor er dem Diener die Treppe hinauffolgen mußte. Aus dem Augenwinkel sah er noch, daß Cristofano von der Truhe sprang und sich an Serafinas Fersen heftete. Dieser Junge war doch wirklich unverbesserlich.
Jacopo Capriani empfing seinen Besucher in seinem Arbeitszimmer im ersten Stock. Der Kamin zog schlecht. Die Vorhänge, die früher einmal schön gewesen sein mochten, waren rauchgeschwärzt. Der Raum war spärlich möbliert und kalt – trotz des qualmenden Feuers.
Der Hausherr machte einen ebenso vernachlässigten Eindruck wie sein Heim. Er war, schätzte Thomas, als er sich zur Begrüßung verbeugte, Anfang Sechzig – ein hagerer Mann, dessen weiße Haare in dünnen Strähnen unter seiner Mütze hervorhingen. Das dunkle Samtgewand war viel zu groß für den Körper, die bleiche Haut spannte sich wie Pergament über die Wangenknochen.
»Willkommen, Signor Marlowe.« Der Kaufmann, der hinter einem großen, häßlichen Schreibtisch saß, nickte Thomas zu. »Was kann ich für Sie tun?«
Mit Worten, die er an diesem Tag schon ein dutzendmal gebraucht hatte, begann Thomas zu erklären, welch wunderbare Gelegenheit er einem klugen Mann zu bieten habe, sein Glück zu machen, doch er merkte, daß es ihm diesmal an Überzeugungskraft mangelte, da sich immer wieder Serafina in seine Gedanken schob – das kleine Mädchen mit den Büchern. Sie sah noch genauso aus wie damals in Marseille. Sogar ihr Gesichtsausdruck und ihr Tonfall waren gleich gewesen: kühl und distanziert. Sie hatte kein überflüssiges Wort gesprochen, ihn nicht länger angesehen, als die Höflichkeit es verlangte. Natürlich konnte er nicht erwarten, daß sie ihm um den Hals fiele, aber es kränkte ihn, daß sie sich nicht einmal zu einem Lächeln herabgelassen hatte. Wie kam sie in dieses Haus? »… so viele Probleme mit dem Schiffsverkehr … die Korsarenüberfälle … ich halte den Landweg für sicherer …« Thomas wurde bewußt, daß er nur Bruchstücke von den Ausführungen des Kaufmanns gehört hatte, und er zwang sich, seine Aufmerksamkeit auf sein Gegenüber zu konzentrieren. Mit aller ihm zu Gebote stehenden Geduld erklärte er, daß sein Schiff durchaus in der Lage sein würde, sich gegen Korsaren zur Wehr zu setzen. Es könne zu jeder Jahreszeit eingesetzt werden und die alljährliche Reise des Kaufmanns in einem Bruchteil der Zeit zurücklegen, die dieser auf den schlechten und von Banditen belagerten Straßen dafür benötigte. Doch zu seinem Ärger mußte er feststellen, daß Serafina recht gehabt hatte. Wenn jemals ein Kaufmann ein Schiff gebraucht hätte, dann war es Jacopo Capriani – aber der sture Mann war unbelehrbar.
Zum Zeichen dafür, daß er die Unterhaltung als beendet betrachtete, griff Capriani nach seiner Feder und wandte sich wieder der Schreibarbeit zu, die er bei Thomas' Eintritt unterbrochen hatte. »Wissen Sie«, er hob noch einmal mit einem herablassenden Lächeln den Kopf, »abgesehen von allem anderen, bin ich kein Mann, der Geld in Projekte steckt, die vielleicht niemals vollendet werden – das war noch nie meine Art.«
Thomas hätte ihn am liebsten gepackt und geschüttelt, ihn gezwungen einzusehen, daß er seine Gewinne innerhalb eines Jahres verdoppeln könnte, wenn er sich der Kingfisher bediente – aber er sah ein, daß es keinen Sinn hatte. Und so verabschiedete er sich zum wiederholten Male an diesem Tag nach einer Niederlage mit einer angedeuteten Verbeugung, setzte seinen Hut auf und verließ den Raum.
Auf der Treppe begegnete er Serafina, die noch immer von dem hartnäckigen Cristofano verfolgt wurde. Sie sagte kein Wort zu Thomas, sah ihn an wie einen Fremden. Nein – nicht einmal das: wie einen Domestiken, der in ihren Diensten gestanden hatte und nicht mehr benötigt wurde. Als er ihren kurzen spöttischen Blick auffing, flammte Zorn in ihm auf, und er hörte sich sagen: »Ich habe einen Freund von Ihnen kennengelernt, Monsieur Jehan de Coniques. Wenn Sie wissen möchten, was er mir erzählt hat – Sie finden mich in dem Wirtshaus in der Via di Santa Caterina.« Damit packte er den Lehrling am Ärmel und zog ihn mit sich aus dem Haus.
Das Gasthaus war halbleer – die meisten Menschen blieben bei dem miserablen Wetter lieber zu Hause. Thomas, der zwölf Stunden lang Pisa
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