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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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empfand sie bei aller Furcht auch Erregung, die allerdings nicht von den linkischen Annäherungsversuchen dieses unappetitlichen Greises herrührte, sondern von der Erkenntnis, daß sie Macht besaß. Es gab mehr als eine Möglichkeit, ihr Ziel zu erreichen. Doch den nächstliegenden Weg hatte sie bisher nicht einmal in Betracht gezogen.
    Signor Caprianis zweite Hand legte sich auf ihren Leib, und er begann, die glänzende Seide zu kneten, die sich über ihrem flachen Bauch spannte. Serafinas Angst legte sich, und ein berauschendes Triumphgefühl stieg in ihr auf. Sie besaß durchaus etwas, womit sie kämpfen konnte! Angelos Verachtung war unangebracht gewesen: Dieser Mann wollte sie!
    Und Thomas Marlowe hatte sie auch gewollt! Sie hatte es in seinen Augen gelesen – damals in dem Wirtshaus in der Via di Santa Caterina. Jacopo Capriani stöhnte leise, als seine Hand in ihren Ausschnitt glitt und ihre Brust umfaßte. Sie erinnerte sich an den Kuß, den Thomas Marlowe ihr aufgezwungen hatte, und ihr Herz begann zu flattern, und das Atmen wurde ihr schwer. Sie wußte plötzlich, daß es ein Fehler gewesen war, den englischen Steuermann so brüsk zurückzuweisen. Sie hatte das Ausmaß ihrer Unwissenheit nicht gekannt und auch den Nutzen ihres jetzigen Wissens nicht – bis sie den pfeifenden Atem auf ihrem Nacken spürte und die knochigen Finger ihre Brustwarze ergriffen. Sie, die soviel gelernt hatte, war bis heute ahnungslos gewesen, welche Macht sie ausüben könnte. Sie war unfähig, zu sprechen oder sich zu rühren, und so blieb sie stehen, bis der alte Mann schließlich von ihr abließ. Als sie sich umdrehte, sah sie Schweißtropfen auf seiner Stirn glitzern. Seine Augen waren glasig.
    »Ich denke, es wäre klug, wenn ich ein wenig Seide kaufen würde. Meinen Sie nicht auch, Signor Capriani?« Sie wußte selbst nicht, woher sie ihre Gelassenheit nahm. Ein kleines Lächeln erschien in ihren Mundwinkeln, als er nickte.

FÜNFTER TEIL
     
    1595
OH, MEIN
KLEINES HERZ!
     
Der laun'sche Junge, greinend, blind, verkappt,
Des Giulio Riesenzwerg, Ritter Kupido,
Sonettenfürst, Herzog gekreuzter Arme,
Gesalbter König aller Ach und Oh,
Lehnsherr der Tagedieb' und Mißvergnügten,
Monarch der Mieder, Schah der Hosenlätze,
Alleiniger Kaiser, großer Feldzeugmeister
Der Kirchenbüßer – oh, mein kleines Herz!
Liebes Leid und Lust:
  William Shakespeare

 
 
     
    Thomas Marlowe arbeitete in dem fast fertigen Schiffsrumpf, als er die Nachricht erhielt, daß Besuch für ihn da sei. Er konnte jetzt keine Störung brauchen!
    »Sie hat ein gelbes Kleid an und Holzsandalen«, fuhr Rufus, der Schmied fort, der oben an der Leiter stand. Nun wurde Thomas neugierig. Mit fahrigen Handbewegungen versuchte er, seine wirren Locken in eine präsentable Form zu bringen.
    Und dann sah er sich Serafina gegenüber! Er erkannte sie sofort – trotz des Schleiers, der ihr Gesicht verbarg, des »gelben« Kleides und der »Holzsandalen«. In Wahrheit war das Kleid allerdings nicht gelb, sondern von einem warmen Goldton. Bewundernd stellte er fest, daß Serafina es fertigbrachte, sogar mit den hölzernen Ungetümen an den Füßen, die er für gewöhnlich scheußlich fand, graziös zu wirken.
    Mit hämmerndem Herzen sprang er auf das Deck hinunter. Die Sonne stand hoch am Himmel, die schwere Luft flimmerte, Fliegenschwärme vom Sumpfland, das an Livorno grenzte, überschwemmten die Stadt und zerrten an den durch die unerbittliche Hitze ohnehin strapazierten Nerven der Bewohner. Das Pech wurde nicht fest, Holzplanken warfen sich und rissen, wenn sie nicht ständig feucht gehalten und vor Sonneneinstrahlung geschützt wurden. Doch Serafina schienen weder Hitze noch Insekten etwas anhaben zu können.
    »Monsieur Marlowe.« Sie trat auf ihn zu. »Wie nett.«
    Thomas grinste. »Wenn ich, den Laderaum bis obenhin voll mit Gold und Gewürzen, von der Entdeckung der Nord-West-Passage zurückkäme, würden Sie mich bestimmt mit den gleichen Worten begrüßen.« Er verbeugte sich. »Es ist mir eine Ehre, Sie zu sehen, Mademoiselle Guardi. Was führt Sie nach Livorno?«
    Aus dem grauen Mäuschen war eine schöne, elegante Frau geworden. Sie hatte den leichten Schleier zurückgeschlagen. Ihr Kleid schimmerte im Sonnenschein. Die kostbare Seide betonte die Zartheit ihrer Haut und das tiefe Braun ihrer Augen. Vor fünf Monaten hatten sie sich unter höchst unerfreulichen Umständen getrennt – er war sich durchaus bewußt, daß er sich unmöglich benommen

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