Serafinas später Sieg
Ehefrau.
Eines Abends, als sie miteinander dinierten – gefüllte Wachteln, zu denen sie mit Honig versetzten toskanischen Wein tranken –, brachte Serafina die Sprache wieder einmal auf das Thema Transport. »Der Maultierzug«, begann sie zögernd, »wann wird er aufbrechen?«
Der Kaufmann rülpste und wischte sich den Mund mit seiner Serviette ab. »Er sollte bereits fort sein«, antwortete er stirnrunzelnd. »Schon seit Mai.«
»Welches Ziel ist für gewöhnlich Ihr erstes?«
»Neapel«, erklärte er.
Das wußte sie natürlich schon, dazu hatte sie nur im Verkaufsbuch zurückblättern und Jacopo Caprianis Route anhand der Warenlisten und Zahlenreihen durchsehen müssen.
Der alte Mann führte mit zitternder Hand das Weinglas an die Lippen. Er hatte noch nicht die volle Kontrolle über seine Muskeln wiedergewonnen.
Serafina sprach aus, wovon sie wußte, daß er es dachte: »Das ist eine anstrengende Reise, Signor. Die Straßen sind schlecht, und die Hitze wäre gar nicht gut für Sie.«
Er tupfte seine Mundwinkel ab, aus denen Wein rann. Im Laufe ihrer Gespräche war deutlich geworden, daß seine Angst vor dem Tod sich durch die Krankheit noch verstärkt hatte. »Sie müssen sich schonen«, fuhr sie fort. »Sie waren sehr krank.« Graziös spießte sie ein Stückchen Fleisch auf die Gabel und führte sie zum Mund. Sie hatte die Lider gesenkt, um dem Blick des Kaufmanns nicht zu begegnen, sie fürchtete, er könne darin lesen, welches Motiv sie zu ihrer Fürsorglichkeit veranlaßte.
»Bastien ist nicht zu trauen«, sagte der Kaufmann, »und Amadeo ist faul. Ein Jammer, daß Sie kein Mann sind, meine Liebe, sonst könnten Sie an meiner Stelle reisen.« Serafina hob den Kopf und erwiderte sein Lächeln. »Ich würde es gerne tun, aber Neapel ist zu weit. Was meinen Sie zu dem Vorschlag, daß ich statt dessen wieder für Sie nach Livorno fahre?«
Jacopo Capriani hatte zwei Gläser Wein getrunken, und seine Taftkappe war ihm in die Stirn gerutscht. »In Neapel gibt es die schönsten Borten und Bänder, meine Liebe«, gab er verdrießlich zu bedenken. »In Livorno hat man keine Auswahl.«
Eine Weile aßen sie schweigend, dann sagte Serafina: »Ich denke, es wäre empfehlenswert, in diesem Jahr ein wenig anders einzukaufen.« Niemand, der ihre sanfte Stimme hörte, hätte vermutet, wie wichtig ihr die Antwort des Kaufmanns war.
Jacopo Capriani lachte. »Sie und Ihre Seide! Ich dachte, Sie gäben sich mit einer Bahn zufrieden. Aber ich muß sagen«, er hielt inne und musterte sie mit zusammengekniffenen Augen, »das Kleid steht Ihnen ausgezeichnet. Wirklich ganz ausgezeichnet.«
Sie hatte es an diesem Abend das erste Mal angezogen. Der satte Bernsteinton brachte die Zartheit ihrer Haut und den Glanz ihrer Haare voll zur Geltung. Es war, der derzeitigen italienischen Mode entsprechend, tief ausgeschnitten, und die Spitzeneinfassung zauberte reizvolle Muster auf ihr Décolleté. »Ich könnte alles kaufen.« Sie schob ihren Teller weg. »Wenn Sie mir sagen, was Sie wollen.«
Die Flammen der Kerzen zwischen ihnen flackerten in der schwachen Brise, die vom Fenster hereinwehte. Serafina stand auf, um es zu schließen und die Vorhänge zuzuziehen. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich etwas so sehnlich gewünscht wie die Zustimmung dazu, den Handel zu beginnen, für den sie geboren war.
Sie wußte nicht, daß Jacopo Capriani ebenfalls aufgestanden und hinter sie getreten war, bis er sprach.
»Was ich will …« Seine Stimme klang heiser und brüchig. Serafina ballte die Fäuste, ihre Fingernägel gruben sich in die Handflächen, aber sie versuchte nicht auszuweichen, und sie sagte auch nichts. Der muffige Geruch der Kleider des alten Mannes stieg ihr in die Nase. Sein keuchender Atem roch nach Wein. Wenn sie still stehenblieb und schwieg, würde er sie berühren – und plötzlich begriff sie die Bedeutung einer solchen Entwicklung. Gleich darauf spürte sie seine Hand auf ihrer Schulter.
»Ich habe einen guten Blick für Seide«, sagte sie ruhig. »Ich habe früher für einen Seidenhändler gearbeitet.« Die Finger des Kaufmanns tasteten sich zu ihrem Décolleté vor, streiften die cremefarbene Spitze. Serafina hatte Mühe, nicht zu fliehen. Kein Mann hatte sie jemals auf diese Weise berührt. Es machte ihr angst, eine solche Intimität zu gestatten. Es kam ihr vor, als gäbe sie damit einen Teil von sich auf. Sie fürchtete, daß jede Art von Vertraulichkeit sie wieder verwundbar machen würde.
Und doch
Weitere Kostenlose Bücher