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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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zu zeigen, damit Sie sich keine Sorgen machen«, sagte sie. Wie angenehm ihre Stimme war – leise und beruhigend. »Sie sollten noch etwas trinken, Signor, dann werden Sie bald wieder gesund sein.«
    Ungeachtet des bitteren Geschmacks, trank er gehorsam den Becher leer, den sie ihm reichte. Er fragte sich kurz, ob sie plante, ihn zu vergiften, verwarf den Gedanken jedoch sofort wieder. Sie könnte durch seinen Tod nichts gewinnen. Sie war ein erstaunliches Mädchen, besaß einen Sinn für Zahlen, wie er ihn bisher noch bei keinem Mann erlebt hatte – und nun stellte er noch andere Qualitäten an ihr fest. Er hatte nichts gegen ihre Anwesenheit an seinem Krankenbett einzuwenden, ja, im Laufe der Zeit genoß er sie sogar, denn Serafina schnatterte und kicherte nicht wie andere Frauen, sie saß einfach nur da. Und wenn er schließlich einschlief, tauchte ihr Gesicht immer öfter in seinen Träumen auf.
    Sie besuchte den Patienten zweimal täglich – und jedesmal blieb sie ein bißchen länger. Das Fieber sank, doch der Kaufmann war noch sehr schwach. Serafina war überzeugt, daß er gestorben wäre, wenn sie in jener Nacht nicht nach ihm gesehen hätte, und sie wollte, daß er lebte: Jacopo Capriani war ihre einzige Sicherheit. Ohne ihn wäre sie wieder heimatlos. Sie hatte ihm einen Trank nach Kara Alis Rezeptur gebraut, und damit hatte er sich allmählich erholt.
    Sie hörte auf vorzulesen, schloß das Buch und blieb schweigend sitzen. Der Tag ging zu Ende – terrakottarotes Licht färbte die Haus- und Kirchendächer der Stadt. Nach einer Weile merkte sie, daß der Kaufmann nicht schlief. Sie spürte den Blick der kleinen dunklen Augen unter der roten Nachtmütze auf sich ruhen. Sie bewegte sich nicht, sie sagte nichts, doch unter ihrem schlichten Kleid begann ihr Herz schneller zu schlagen. Langsam ließ sie eine Hand von ihrem Schoß auf die Bettdecke gleiten. »Ich muß jetzt gehen«, sagte sie leise.
    Seine Finger schlossen sich mit erstaunlicher Kraft um die ihren. Seine Haut spannte sich dünn wie Papier über die Knochen. »Noch nicht!« flüsterte er flehend.
    Jacopo Caprianis Genesung zog sich hin, war eine Folge von kleinen Rückfällen und kleinen Fortschritten. Deshalb war es nur natürlich, daß sich das täglich zweimalige Studium der Kontobücher auf allgemeine Gespräche über Gesundheit und Geschäfte ausweitete, und ebenso natürlich, daß Serafinas Aufgabenbereich allmählich größer wurde. Der Kaufmann hatte Vertrauen zu ihr – eine Vergünstigung, die er keinem seiner anderen Angestellten zuteil werden ließ. Serafina konnte sich glücklich schätzen, daß Amadeo ein Faulpelz war und Bastien ein Dieb.
    Ende Juni reiste sie mit einem Bediensteten nach Livorno, um im Auftrag ihres Arbeitgebers den üblichen wertlosen Tand zu kaufen. Es reizte sie, auch Seide mitzunehmen, denn die Schiffe hatten bereits die ersten Ballen mitgebracht. Bald würde das Angebot umfassend sein. Als sie das nächste Mal nach Livorno kam, kaufte sie von ihrem gesparten Lohn ein paar Meter des geliebten Stoffes. Einen Teil verkaufte sie mit beträchtlichem Profit an einen anderen Händler, den Rest behielt sie für ein Kleid. Als sie Signor Capriani den Gewinn zeigte, den sie erzielt hatte, stimmte er mit gerunzelter Stirn, aber leuchtenden Augen ihrem Ansuchen zu, in Zukunft öfter Seide kaufen zu dürfen.
    Als sie wieder einmal in Livorno am Kai stand und die Finger zärtlich über türkisfarbenes, strukturiertes und mit Silberfäden durchzogenes Gewebe gleiten ließ, fühlte Serafina Erregung in sich aufsteigen, hervorgerufen durch die Aussicht auf zukünftige Möglichkeiten, doch sie achtete sorgfältig darauf, sich nichts anmerken zu lassen. Sie führte die Kontobücher weiterhin mit der üblichen Sorgfalt, und in ihrer Freizeit nähte sie an ihrem Kleid.
    Sobald Jacopo Capriani zu den Mahlzeiten aufstehen konnte, erfolgte die Durchsicht der Kontobücher im Speisezimmer, denn es war geziemender, dort mit seiner Angestellten zu konferieren als in seinem Schlafzimmer. Serafina hatte die Zusammenstellung seiner Ernährung übernommen. Sie wußte, was der empfindliche Magen des alten Mannes vertrug und suchte, auf dem Markt die besten Leckerbissen für ihn aus. Manchmal kochte sie sogar selbst – sanft gewürzte orientalische Gerichte, die auch den schwächsten Appetit anregten. Der Kaufmann sagte, er wisse nicht, wie er je ohne sie ausgekommen sei, und erklärte scherzend, sie sei genauso nützlich wie eine

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