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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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mehr zusammen. »Die Toby strandete vor achtzehn Monaten vor der Berber-Küste auf einer Sandbank«, rief er zurück. »Nur eine Handvoll Besatzungsmitglieder kam mit dem Leben davon.«
    »Wenn es Ihnen recht ist, komme ich an Bord – die Schreierei ist mir zu anstrengend.« Ohne eine Antwort abzuwarten, kam er über die Gangway an Deck.
    Johns Miene hellte sich auf: »Thomas Marlowe! Natürlich! Sie sind als Steuermann für die Gesellschaft gefahren.«
    Thomas verbeugte sich erneut.
    »Wir dachten, Sie seien tot.
    »Ein Irrtum, wie Sie sehen.« Thomas grinste breit: »Aus den Tiefen der See aufgetaucht, beinahe ein Opfer der Wüste geworden und schließlich an der toskanischen Küste gelandet – und jetzt baue ich ein Schiff, anstatt eines zu steuern.« Er betrachtete die Schäden an der Garland und fügte hinzu: »Sie sollten es sehen, Mr. Keane.« John, der die Andeutung richtig interpretierte, holte eine Flasche Wein und zwei Becher, um sich Zeit zum Nachdenken zu verschaffen. Als er wieder an Deck kam, fragte er:
    »Gehe ich recht in der Annahme, daß Sie das Schiff für sich selbst bauen?«
    »Sie gehen recht.« Thomas' meerblaue Augen blickten John Keane gelassen an, als er fortfuhr: »Ich hatte Glück beim Kartenspielen.«
    Sein Gegenüber goß Wein ein und reichte ihm einen Becher. Sie tranken einen Schluck – und dann sprach Thomas aus, was der Kapitän schon vermutet hatte: »In letzter Zeit ging es allerdings nicht mehr so gut – und Holz ist verdammt teuer. Sie sollten sich mein Schiff wirklich ansehen, Mr. Keane. Dieser Seelenverkäufer hier wird das Ende des Jahrhunderts bestimmt nicht mehr erleben.« John Keane prostete Thomas zu. Dann nickte er bedächtig.
    Schon seit einer ganzen Weile ruhten die Geschäfte im Hause Capriani, denn der Kaufmann war krank.
    Es war keine neue Krankheit, sondern eine, die ihn bereits seit Jahren immer wieder heimsuchte. Er kannte den Grund – die Sümpfe, die die Küste der Toskana säumten – und hatte im Laufe der Zeit die Anzeichen deuten gelernt, die einem neuerlichen Kampf mit seinem ganz persönlichen Feind vorangingen: das schmerzhafte Hämmern hinter den Augen, das Gefühl der Entrücktheit, die farbenprächtigen Alpträume. Und dann stieg das Fieber, und der damit verbundene Schüttelfrost warf seinen von Schmerzen und Übelkeit gepeinigten Körper auf dem Lager hin und her. Früher, vor langer Zeit, pflegte seine Frau ihn. Danach übernahm die Haushälterin diese Aufgabe, doch sie war letztes Jahr gestorben. Jacopo Capriani weigerte sich, »einem Quacksalber Geld in den Rachen zu werfen«, wie er sich ausdrückte. Diesmal, sagte er sich, als er nicht mehr umhin konnte, das Bett aufzusuchen, würde er dem Dämon allein trotzen.
    Er verlor jedes Zeitgefühl. Es war Frühling – wie üblich, wenn die Krankheit ihn in den Würgegriff nahm –, und wieder einmal war es dem Kaufmann nicht vergönnt, den strahlend blauen Himmel, die laue Luft und das sprießende junge Grün zu genießen. Manchmal, in einem lichten Moment, quälte ihn der Gedanke daran, wieviel Arbeit liegenblieb, doch er hatte nicht die Kraft, in sein Arbeitszimmer geschweige denn ins Kontor zu gehen. Letzteres beunruhigte ihn besonders, denn er traute weder Bastien noch Amadeo, und das Fieber verstärkte sein Mißtrauen noch. Er schlief schlecht und wurde von Träumen gepeinigt, in denen seine Waren in den Lagerhäusern verrotteten oder auf dem Transport aus den Tragekörben der Maultiere fielen und an Berghängen liegenblieben. Dann schrie er, ohne es zu merken.
    Irgendwann – er wußte nicht, ob es Tag oder Nacht war – fühlte er, wie ihm etwas Kühles auf seine heiße Stirn gelegt wurde. Als er die Augen öffnete, war es völlig dunkel um ihn, wie in einem Grab. Er konnte nicht atmen und bildete sich ein, Erde auf seinem ausgemergelten Körper zu spüren.
    Und dann hörte er eine Stimme: »Signor Capriani – trinken Sie das.« Eine Hand stützte ihm den Kopf, ein Becher wurde an seine Lippen gehalten. Nachdem er ein paar Schlucke getrunken hatte, sank er wieder zurück und schlief ein.
    Als er das nächste Mal aufwachte, war es heller Tag, und er war nicht allein: Serafina, die er in Marseille als Küchenmädchen eingestellt hatte, saß neben seinem Bett. Die Kontobücher hatte sie auf den Nachttisch gelegt. Er hatte die kleine Französin bisher für recht unscheinbar gehalten – jetzt erschien sie ihm plötzlich ausgesprochen reizvoll.
    »Ich bin gekommen, um Ihnen den Kontostand

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