Serafinas später Sieg
schwindelnde Höhen gesetzt.« Er sah, daß sie seine Hände anstarrte: Sie waren feuerrot und mit Blasen übersät.
»Tut es weh?« fragte sie.
Sie stand mit dem Rücken zum Fenster. Dahinter lag ein kleiner, ungepflegter Garten. »Überhaupt nicht«, antwortete Thomas ehrlich. »Nicht mehr.«
Serafina bedeutete ihm, sich zu setzen, goß Wein in ein Glas und reichte es ihm. »Ihren Ausführungen darf ich wohl entnehmen, daß dies ein geschäftlicher Besuch ist, Monsieur Marlowe.«
Ihre Distanziertheit kränkte ihn. Warum vermied sie es, ihn anzusehen? »Ja – ich befinde mich durch das Feuer in einer ziemlich üblen Lage. Als wir und das letzte Mal sahen, deuteten Sie an, daß es Ihnen vielleicht möglich wäre, mir zu helfen.« Für einen Moment befand er sich nicht mehr in dem kleinen staubigen Salon, sondern in der verblaßten Pracht des Palazzo Sacchetti.
Serafina antwortete nicht sofort. Ihre dunklen Augen wanderten durch den Raum. Schließlich sagte sie förmlich: »Ich bin sicher, wir können zu einer Vereinbarung kommen, Monsieur Marlowe.«
Sie hatte wieder die Mauer zwischen ihnen errichtet, mit der sie ihn schon früher auf Abstand gehalten hatte. Nur einmal hatte sie die eingerissen. »Die Kingfisher ist noch nicht fertig, und ich habe kein Bauholz, um die Arbeiten zu beenden, und auch kein Geld, um welches zu kaufen. Signor Capriani müßte es bestimmt niemals bereuen, wenn er mir unter die Arme griffe. Sie wird ein Prachtstück.«
Das graue Kleid umschmeichelte in weichen Falten Serafinas Körper. »Daran zweifle ich nicht, Monsieur Marlowe.«
»Thomas, bitte!« Angesichts der Vertrautheit, die zwischen ihnen bestanden hatte, erschien es ihm lächerlich, ja sogar beleidigend, von ihr mit dem Nachnamen angesprochen zu werden. Doch was sie gesagt hatte, entsprach der Wahrheit: Sie hatte seine Pläne und die Kingfisher stets ernst genommen.
»Wenn Sie darauf bestehen – Thomas.« Ihre Stimme zitterte leicht, doch die Hand, mit der sie die Tischklingel läutete, war völlig ruhig. Thomas hätte Serafina gerne geschüttelt – oder, noch lieber, umarmt –, um das Eis zu brechen.
Ein Diener erschien, füllte die Gläser erneut und bot Thomas Gebäck an. Serafina sprach kurz mit dem Mann – so leise, daß Thomas nichts verstehen konnte –, und daraufhin schloß der Bedienstete die Fensterläden, wodurch der Raum plötzlich im Dämmerlicht lag. Sie benimmt sich, als gehöre ihr das Haus, dachte Thomas amüsiert. Er hatte einmal versucht, sie sich als Sklavin vorzustellen – es war ihm nicht gelungen. Es schien unmöglich, daß sie von irgend jemandem Befehle entgegennahm.
Als der Diener gegangen war, fuhr sie fort: »Ich bin sicher, wir können zu einer Übereinkunft kommen, die beide Seiten zufriedenstellt. Ich kann Ihnen bestimmt akzeptablere Bedingungen anbieten, als die Levant Company es tat.«
Eine Welle der Erleichterung überflutete ihn – doch trotz allen Überschwangs fiel ihm auf, mit welcher Selbstverständlichkeit sie ihm diese Zusage machte –, als existiere der Kaufmann gar nicht, um dessen Geld es immerhin ging. Thomas wurde bewußt, daß er außer seinem Begehren auch noch Achtung für Serafina empfand – Achtung vor ihrem klaren Verstand. Er hob sein Glas. »Auf unser Geschäft, Serafina.«
»Auf die Seide«, erwiderte sie. »Auf den Tag, an dem mein Name der Inbegriff für die größte Seidenhandelsgesellschaft Europas sein wird.«
»Wir sollten heiraten«, hörte Thomas sich sagen. Die Worte waren völlig unbeabsichtigt herausgekommen, sein Herz hatte seinen Verstand überrumpelt. Das Glas in Serafinas Hand verhielt ruckartig auf halbem Weg zu ihren Lippen. Der Wein schwappte über. »Heiraten?« Sie lachte. Es klang, als zerbreche Glas. Und jetzt sah sie ihn endlich an. Thomas entdeckte in ihren Augen eine Mischung aus Stolz und Verachtung. »Heiraten? Eine Frau darf nicht zwei Ehemänner haben, Monsieur Marlowe – das ist nicht einmal im Islam erlaubt.«
Er brauchte nur eine Sekunde, um zu begreifen, was sie meinte, doch es erschien ihm wie eine Stunde. Er starrte sie an – und plötzlich verstand er die Bedeutung des Schmucks, des neuen Dieners und ihres Auftretens.
»Ich habe gestern Signor Capriani geheiratet.«
Thomas bekam keinen Tobsuchtsanfall, warf sein Glas nicht an die Wand und brüllte auch nicht. Er, der so schnell in Wut geriet, war wie versteinert. Serafina saß ihm gegenüber – sehr stolz und sehr steif, mit ausdruckslosem Gesicht. Die Röte,
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