Serafinas später Sieg
die ihre Wangen vorübergehend überflutet hatte, war einer unnatürlichen Blässe gewichen.
»Meinen Glückwunsch«, brachte Thomas gepreßt hervor.
»Ich danke Ihnen, Monsieur Marlowe.« Ihre angespannten Muskeln lockerten sich ein wenig. Wieder läutete sie, und als der Diener erschien, schickte sie ihn nach Schreibzeug. »Ich denke, wir sollten jetzt die Bedingungen für die Fertigstellung der Kingfisher festlegen.«
Thomas stand auf, trat zum Fenster und ließ den Mittelfinger an den staubigen Lamellen der Fensterläden entlanggleiten. Eine Weile wirbelten die Gedanken in seinem Kopf wild durcheinander, doch dann sah er plötzlich klar. Ruhig sagte er: »Sie haben Ihren Wein noch gar nicht getrunken, Signora Capriani. Wie lautete doch gleich der Toast, den Sie ausgebracht haben?« Als sie nicht antwortete, fuhr er, weiterhin mit dem Rücken zu ihr stehend, fort: »Auf den Tag, an dem Ihr Name der Inbegriff für die größte Seidenhandelsgesellschaft Europas sein wird – war es so? Welcher Name schwebt Ihnen denn dafür vor, Serafina? Sie haben ja jetzt die Wahl. Ich für meinen Teil glaube, daß Sie den Namen Guardi auf Ihrem Banner sehen wollen. Habe ich recht?«
Sie schwieg noch immer. Er drehte sich um. Ihre Lippen waren zusammengepreßt, ihre Augen hart. In Thomas' verbrannten Händen begann es zu klopfen, und er spürte plötzlich die Nachwirkungen der Nacht im Sattel und der monatelangen Anspannung. Doch sein Verstand arbeitete mit glasklarer Schärfe. »Sie haben es auf Angelo abgesehen! Sie wollen sich alles von ihm zurückholen! Darum haben Sie sich bei dem Kaufmann verdingt, darum haben Sie ihn geheiratet, darum haben Sie ihn überredet, mit dem Seidenhandel zu beginnen – damit Sie mit Angelo in Wettbewerb treten können! Antilopentränen genügen dazu nicht, nicht wahr, Serafina? Und das ist auch der Grund«, Thomas' Magen krampfte sich zu einem kleinen, harten Ball zusammen, »warum Sie die Kingfisher haben wollen. Mit einem Maultierzug hätten Sie keine Chance gegen Angelo.«
»Ich will nur wiederhaben, was mir gehört«, antwortete Serafina gelassen.
»Was haben Sie vor, Serafina?« Seine Stimme klang, als bekäme er nicht genügend Luft. »Angelo ein Messer in den Rücken zu stoßen, während er schläft?«
Ihre Augen waren leblos wie die einer Puppe. »Ich werde ihn nicht töten, ich werde ihn ruinieren.« Ihr Tonfall ließ ihn frösteln.
»Und um dieses Ziel zu erreichen, legen Sie sich zu einem hinfälligen Greis ins Bett?« Er starrte sie angewidert an. »Sie haben das schon vor der Hochzeit getan, nicht wahr, um ihn dazu zu veranlassen, Ihnen seinen Namen und sein Vermögen anzutragen. Mein Gott, er ist mindestens siebzig – und Sie sind …«
»Siebzehn.« In ihren Augen brannte ein eisiges Feuer. »Spielt das Ihrer Meinung nach eine Rolle, Thomas?«
»Und was ist mit mir?« fragte er aufgebracht. »Welchen Part spiele ich in diesem makabren Stück?« Plötzlich ging ihm ein Licht auf. Er stieß ein unfrohes Lachen aus. »Ich war der Lehrer, nicht wahr? Sie wollten ein wenig Erfahrung sammeln, um Ihr Opfer beeindrucken zu können!« Sein Magen hatte sich zu Stein verhärtet. Thomas graute davor, noch weiter in diesen Abgrund vorzustoßen, doch er hörte sich fragen: »Nur darum sind Sie mit mir ins Bett gegangen, nicht wahr?«
Serafina senkte die Lider. Ihre Hand streckte sich nach der Tischglocke aus, doch er fing sie ab und umfaßte ihr zerbrechliches Gelenk mit seiner blasenübersäten Hand. Der Schmerz verstärkte seinen Zorn, trieb ihn weiter: »Sagen Sie mir die Wahrheit, Serafina – nur dieses eine Mal! Sie haben mich verführt, weil Sie noch gänzlich unerfahren waren!«
Sie schaute auf. Ihr Blick traf den seinen. »Sie haben mir einen großen Dienst erwiesen«, antwortete sie gelassen.
Die Zierlichkeit ihrer Gestalt sprach ihrer Brutalität und wilden Entschlossenheit Hohn. Thomas wurde von dem überwältigenden Wunsch erfaßt, ihr Handgelenk zu zerbrechen, sie um Gnade flehen zu hören, doch er beherrschte sich, ließ sie los und sagte im Hinausgehen: »Tun Sie, was Sie nicht lassen können – aber rechnen Sie nicht mit mir!«
Sie hatten gleich nach ihrer Rückkehr aus Lucca geheiratet. Signor Capriani hatte es eilig gehabt, denn er befürchtete, seine Braut könne es sich sonst wieder anders überlegen. Als sie in dem tristen, schäbigen Salon neben ihrem Bräutigam stand, dachte Serafina daran, wie anders ihre Hochzeit mit Michele Corsini verlaufen wäre: Sie
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