Serafinas später Sieg
hätte ein herrliches weißes Kleid getragen, und ganz Florenz wäre im Sonntagsstaat auf den Beinen gewesen, um sie zu sehen. Zur Heirat mit dem alten Mann trug sie das bernsteinfarbene Seidenkleid, das sie sich selbst genäht hatte, und die Hochzeitsgesellschaft beschränkte sich auf Amadeo und einen Jesuiten aus dem Kloster.
Die Eheschließung war zwar notwendig, doch Serafina betrachtete sie als ärgerliche Unterbrechung ihrer Geschäfte. Der Triumph und die Unruhe stellten sich erst später ein. Den Grund für den Triumph kannte sie: Jetzt war sie keine Sklavin mehr und auch keine Angestellte, sondern die Frau eines geachteten und wohlhabenden Kaufmanns. Der Ursprung ihrer inneren Unruhe war schwerer festzustellen. Sie sagte sich, daß sie keinen Anlaß habe, sich unbehaglich zu fühlen, daß sie lediglich einen Handel abgeschlossen habe. Sie hatte ihren Körper für wirtschaftliche Sicherheit verkauft. Das geschah schließlich jedesmal, wenn eine Braut sich von ihrem zukünftigen Ehemann den Ring an den Finger steckenließ.
Am Abend des Hochzeitstages hatte Signor Capriani ein neues Testament verfaßt, in dem er seinen gesamten Besitz dem vermeintlichen Kind vermachte, mit dem Serafina ihn in die Ehe gelockt hatte. Diese wurde wieder von Übelkeit erfaßt und mußte das Rotweinglas wegschieben, da der säuerliche Geruch ihr Brechreiz verursachte. Später, im Bett, fühlte sie sich wieder gut und genoß die Umarmung, mit der ihre Ehe vollzogen wurde, beinahe. Danach schlief sie tief und traumlos.
Als sie das erstemal als verheiratete Frau erwachte und Sonnenlicht durch die Bettvorhänge mit dem verblaßten Rosenmuster sickern sah, führte sie sich vor Augen, daß jetzt alles geregelt war: Sie hatte ein Heim, einen Namen und ein Erbe. Vorher war sie nur eine Angestellte gewesen, die das Lager ihres Herrn geteilt hatte. Die Heirat mit Jacopo Capriani öffnete ihr alle Türen. Wegen des erfundenen Kindes machte sie sich keine Sorgen. Wenn sie das nächste Mal ihre Periode bekäme; die sich seit jeher recht unregelmäßig einstellte, würde sie eine Fehlgeburt vortäuschen. Mit dem medizinischen Wissen, das sie sich bei Kara Ali angeeignet hatte, würde es ihr sicher gelingen, Jacopo Capriani noch eine ganze Weile am Leben zu erhalten – lange genug, um wirklich schwanger zu werden. Im Augenblick wäre ein Kind ihr ohnehin nur im Weg gewesen. Sie stand erst am Anfang ihrer Zukunft, die sie sich aufzubauen gedachte. Sie würde Jacopos Geschäft zum Blühen bringen und sein Haus so behaglich machen wie möglich. Wie bei allen anderen Frauen hing ihr Glück vom Glück des Ehemanns ab.
Und doch – nachdem der englische Steuermann gegangen war, kehrte Serafinas Unbehagen zurück. Sie erklärte sich das damit, daß sie den Verlust der Kingfisher bedauerte. Sie hatte die Möglichkeiten, die sich mit diesem Schiff eröffnen würden, von vornherein erkannt und begonnen, es mit Thomas Marlowes Augen zu sehen. Sie brauchte es – und sie brauchte den Steuermann, der, wie er bewiesen hatte, sogar in der Lage war, eine Nußschale unbeschadet übers offene Meer zu bringen.
Wenn er sie nur nicht gebeten hätte, sie zu heiraten! Die Erinnerung daran ließ ihr die Röte ins Gesicht schießen. Sie sagte sich, daß sie wütend auf ihn sei, weil er eine Situation kompliziert hatte, die bis dahin – aus ihrer Sicht – völlig unproblematisch gewesen war, und einen Handel ausgeschlagen, der für sie beide von Vorteil gewesen wäre. Aber wenn sie ehrlich war, mußte sie sich eingestehen, daß sie auch auf sich wütend war. Sie hatte in einer Angelegenheit, die ihr wichtig war, unklug gehandelt und dadurch sowohl die Kingfisher als auch den Steuermann verloren.
Thomas hatte ihren Plan mit erschreckendem Scharfsinn durchschaut und erkannt, daß sie ihn benutzt hatte. »Ich war der Lehrer, nicht wahr?« Sein Blick hatte sie bis ins Mark getroffen. Kalter Schweiß trat auf ihre Stirn, und ihr Herz begann wie ein Hammer zu schlagen. Sie stieß die Fensterläden auf, doch die warme, windstille Luft brachte keine Erfrischung. Weshalb machte sie sich eigentlich Gedanken? Der Engländer hatte sein Vergnügen gehabt – und seinen Zweck erfüllt. Es war ein Geschäft gewesen. Sonst nichts.
John Keane, der in ein schmales, hohes Haus in der Nähe des Hafens von Livorno gezogen war, erwartete schon seit einiger Zeit den Besuch von Thomas Marlowe. Er hatte den Brand von einem Fenster im obersten Stockwerk seines Hauses beobachtet, nachdem
Weitere Kostenlose Bücher