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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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ihrem Arbeitgeber unbehelligt zu bleiben, indem sie ihr Zimmer mit einem der Mädchen teilte oder Kopfschmerzen vorschützte. Sie tat dies nicht nur, weil es sie anwiderte, mit Jacopo Capriani zu schlafen, sondern weil sie es an der Zeit fand, daß er für sein Vergnügen zu bezahlen begänne. Er war zu alt, als daß sein Hunger nach körperlichen Genüssen lange anhalten könnte, und sie wollte dafür sorgen, daß sie alles bekäme, was sie sich vorstellte, bevor seine Begierde verebbte.
    Als sie den Plan entworfen hatte, war er ihr ganz einfach erschienen, doch jetzt, da der Zeitpunkt näher rückte, empfand sie denselben würgenden Ekel wie in den Armen des Kaufmanns, wenn ihr Körper nicht mehr ihr zu gehören, sondern von einem anderen gesteuert zu werden schien. Ihre Übelkeit wurde so stark, daß sie am liebsten ihre ineinander verkrampften Finger zu Fäusten geballt hätte.
    Sie schaute auf den Garten hinaus, auf die sorgfältig gestutzten Grasflächen, die von Wegen aus roter Erde durchzogen wurden. Sie spürte den Blick des Kaufmanns auf ihrem Hinterkopf brennen, und für einen Augenblick flammte ein Haß gegen diesen Mann in ihr auf, dessen sie sich gar nicht für fähig gehalten hatte. Auch Thomas hatte sie so angesehen – voller Sehnsucht und Begehren –, doch bei ihm hatte sie es anders erlebt. Damals, im Palazzo Sacchetti, hatte er ihr das Gefühl gegeben, schön und kostbar zu sein.
    Nein – sie durfte nicht an Thomas denken! Er würde kein Teil der Zukunft sein, die sie für sich aufzubauen plante. Er bedeutete ihr nichts, und sie bedeutete ihm nichts. Für ihn war sie nur ein angenehmer Zeitvertreib gewesen, eine erfreuliche Ablenkung von den erdrückenden Sorgen. Sie hatte ihm lediglich Entspannung verschafft.
    Warum zitterte sie dann, als habe sie Schüttelfrost? Die Stimmen von Signor Merli und Constanza verschwammen zu undeutlichem Gemurmel. Mühsam brachte Serafina eine Entschuldigung hervor und floh in den Garten hinaus.
    Sie wußte, daß Jacopo Capriani sie vom Fenster aus beobachtete, doch in diesem Augenblick war ihr das völlig gleichgültig. Sie setzte sich auf den Brunnenrand, ballte die kleinen Hände zu Fäusten und preßte sie auf die Augen. Sie roch den intensiven Duft der Orangen- und Zitronenbäume in den Terrakottakübeln und plötzlich war sie wieder in Kara Alis Haus, in dem Innenhof mit seinen Bogengängen und dem Springbrunnen, wo der bittere Geruch von Zitronen in der windstillen Luft hing. Die Scherben der blauen Schale lagen zu ihren Füßen, ihr Kopf und ihr Gesicht waren von einem Schleier bedeckt. Die Erinnerung daran beruhigte sie, machte ihr wieder bewußt, welches Ziel sie sich gesetzt hatte: die verlorenen Jahre, den Verlust ihrer Familie und ihres Erbes auszugleichen.
    Serafina ließ die Hände sinken und wandte sich dem Brunnen zu. Der feine Wassernebel benetzte ihre Wangen, ließ Tränen über ihr Gesicht perlen, die sie nicht hatte weinen können. Und dann hörte sie Schritte: Der Kaufmann kam auf sie zu.
    »Sie hat sich lauter dunkle Farben ausgesucht. Hättest du das geglaubt? Ich dachte, eine solche Frau würde sich für Gold und Rot entscheiden.«
    Serafina antwortete nicht. Sie senkte den Kopf.
    »Du mußt mir helfen, die Preise festzusetzen«, meinte Jacopo Capriani.
    »Ich sollte gehen«, sagte sie leise.
    »Ich habe nicht gemeint, daß du dich sofort an die Arbeit machen mußt, Serafina. Wenn du dich nicht wohl fühlst, bleib ruhig noch ein wenig hier draußen sitzen.
    Jetzt, da es ernst wurde, hatte ihre Übelkeit sich gelegt. »Ich meine«, flüsterte sie, »daß ich aus Ihren Diensten ausscheiden sollte, Signor Capriani.« Noch immer schaute sie ihn nicht an.
    Er setzte sich neben sie auf den Brunnenrand. Sein Geruch wehte zu ihr herüber – stärker als der der Orangen und Zitronen, der undefinierbare, penetrante Geruch des Alters.
    »Warum?« Panik lag in der Stimme des Kaufmanns. »Du bist unersetzlich für das Geschäft, Serafina. Wer außer dir hat ein so untrügliches Auge für die Qualität von Seide?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht bleiben.« Jetzt wandte sie sich ihm zu. Ihre Augen waren rot, weil sie sie gerieben hatte, und ihre Wangen feucht von dem Wassernebel. Jacopo Capriani nahm bestürzt ihre Hände zwischen seine knochigen Finger. »Weine nicht, Serafina! Meine Liebe – was bekümmert dich?«
    Sie atmete zittrig ein und schlug die Augen nieder. »Ich habe sehr gerne für Sie gearbeitet, Signor Capriani, aber ich muß

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