Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
Vom Netzwerk:
ihn an der Stimme.
    Es war Paul, jener Lochwächter, der mit Gunther die Nacht gewacht hatte.
    »Ich habe Sebald Groß gebeten, mich kurz zu Euch zu lassen«, erklärte er Katharina. Seine Augen wirkten entzündet, und seineNase war geschwollen und rot. Katharina begriff, dass er geweint hatte.
    Er kam auf sie zu und drehte die Handflächen nach oben. »Ich bete für Euch«, sagte er. »Danke, dass Ihr diese letzten Stunden mit uns verbracht habt.«
    »Wir hatten wohl kaum eine andere Wahl«, warf Richard ein.
    Zu Katharinas Verblüffung lächelte Paul. »Doch, das hattet Ihr. Es gibt immer eine Wahl. Joachim hat mich gebeten, Euch zu sagen, dass er froh ist, Euch getroffen zu haben, Frau Jacob.«
    »Warum?«
    »Er weiß jetzt ganz sicher, wofür er stirbt.« Paul blickte zu Sebald, und der machte Anstalten, ihn aus der Zelle zu bringen.
    »Wie ist Euer Nachname?«, rief Katharina. »Wo kann ich Euch finden, wenn das hier ... vorbei ist?«
    Paul lächelte ihr zu. »Ich finde Euch, wenn es Zeit dafür ist.«
    Mit diesen Worten ging er.
    Katharina blieb, wo sie war. Richard nahm sie sachte am Unterarm. Seine Stirn zeigte tiefe Falten, und die durchwachte Nacht hatte dunkle Schatten unter seine Augen gelegt.
    »Es tut mir leid, Herr Sterner«, drang Sebalds Stimme in Katharinas Gedanken, »aber ich muss Euch jetzt ebenfalls hinausgeleiten.«
    »Warum?« Katharina trat vor die Tür und versperrte den Ausweg.
    »Weil Bürgermeister Zeuner es angeordnet hat«, antwortete Sebald. »Der Rat tagt seit Stunden, und die hohen Herren sind nicht der besten Laune. Der Bürgermeister hat mir noch einmal ausdrücklich gesagt, dass Euer Berechtigungsschreiben von Herrn Pömer keine Gültigkeit mehr hat, Herr Sterner. Ich kann jetzt nicht mehr so tun, als hätte ich es vergessen.«
    Richard rührte sich nicht vom Fleck. »Warum ist der Rat mitten in der Nacht zusammengekommen?«
    Sebalds Blick huschte zu Katharina.
    »Wegen mir?« Katharina griff nach dem Türrahmen. Was hatte das zu bedeuten?
    »Bürgermeister Zeuner hat sie zusammenrufen lassen, weil die ... diese Engelmorde ...«
    Richard stieß einen lästerlichen Fluch aus. »Es hat einen zweiten Engelmord gegeben?«
    Katharina bedeckte ihren Mund mit der Hand.
    Sebald nickte, dann schüttelte er den Kopf, aber es war keine Geste der Verneinung, sondern eine des Entsetzens. »Der Bürgermeister hat mir verboten, jemandem davon zu erzählen!«
    Richard packte ihn bei den Schultern. »Wer ist das Opfer?«, herrschte er den Lochwirt an.
    Sebald schluckte einmal, zweimal. Er senkte den Kopf, schüttelte ihn erneut. »Ein Handwerker, ein ziemlich reicher Mann«, flüsterte er dann. »Seine Frau fand ihn in seiner Küche.«
    »Und der Mörder hat auch ihm Flügel angeheftet?«
    Sebald riss sich los. »Ich weiß es nicht!«, schrie er. »Woher soll ich es wissen? Alles, was ich sagen kann, ist, dass ein Ratsdiener sofort nach Bürgermeister Zeuner geschickt hat, und der hat lange vor Sonnenaufgang sämtliche Mitglieder des Inneren Rates zusammengetrommelt. Seitdem tagen sie oben im Ratssaal.«
    Richard ließ die Arme sinken. »Ist Enzo Pömer auch da?«
    »Ich glaube schon. Als Ratsneuling haben sie ihn zwar von der Sache mit den Engeln ausgeschlossen, aber bei Gunthers Rechtstag wird er dabei sein.«
    »Ich muss zu ihm!« Richard trat vor Katharina hin. »Kann ich Euch für eine Weile hier allein lassen?«
    »Es sieht so aus, als bliebe Euch nichts anderes übrig.« Katharina warf einen bösen Blick in Sebalds Richtung, aber dann senkte sie die Lider. »Du kannst nichts dafür«, sagte sie zu dem Lochwirt. »Ich weiß.«
    Dann machte sie den Weg frei.
    Die Ratssitzung, in der Joachim Gunther offiziell zum Tode verurteilt wurde, hatte rein zeremoniellen Charakter, denn das eigentliche Todesurteil hatte der Rat bereits vor einigen Tagen gefällt. Aus vielerlei Gründen jedoch musste bei einer Hinrichtung ein genaues Protokoll eingehalten werden, und Richard wusste, dass man Gunther zunächst waschen und neu einkleiden würde, bevor ein Priester kam, um ihm die Beichte abzunehmen. Auch wenn er dieseerneut verweigern sollte, blieben Richard mindestens anderthalb Stunden, bevor Gunthers Abtransport zum Rabenstein beginnen würde. Richard hatte vor, zu diesem Zeitpunkt wieder bei Katharina zu sein, also musste er sich beeilen.
    Wieder leistete ihm Pömers Ermächtigungsschreiben gute Dienste. Er hielt es einem der Ratsdiener unter die Nase und brachte auf diese Weise heraus, dass das neue

Weitere Kostenlose Bücher