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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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hervorgepresst.
    Ich habe solche Angst, dass sie besessen ist ...
    Gunther, der sich die ganze Zeit, während sie nachdachte, nicht gerührt hatte, meinte: »Dachte ich mir.«
    In diesem Moment begriff Katharina, was Gunther so anders wirken ließ als die meisten Menschen, die sie bisher getroffen hatte. So anders als Mechthild oder Egbert. Sogar so anders als Richard Sterner. Besonders als Sterner.
    Gunther schien keinerlei Reue zu empfinden, aber auf eine gute Art und Weise. Er war nicht skrupellos oder distanzierte sich von der Schuld, die er sich aufgeladen hatte, sondern er schien einfach völlig sicher zu sein, dass sie ihm vergeben werden würde.
    Glühender Neid durchfloss Katharina.
    Sie bemerkte, dass Sterner seine Position auf der Bank leicht verändert hatte, so dass sich das Licht der Laterne in seinen dunklen Augen spiegelte. An seiner Miene konnte sie erkennen, dass er genau das Gleiche dachte wie sie.
    »Wie könnt Ihr Euch so sicher sein?«, flüsterte sie.
    »Es ist ganz einfach!«
    Pauls warnende Stimme erklang: »Joachim!«
    Doch er ließ sich nicht beirren. »Sie brauchen unsere Hilfe, Paul. Siehst du das nicht?« Und ohne auf eine Erwiderung zu warten, fuhr Gunther fort. »Ich rede mit Ihm. Und ich höre nicht auf das, was die Pfaffen mir einflüstern wollen.«
    »Er? Ihr sprecht von Gott?« Jetzt endlich wandte Katharina den Blick von Sterner ab und richtete ihn auf das Loch in der Wand.
    »Ja. Tragt Eure Schuld vor Ihn hin, und ihr werdet sehen, Er vergibt sie Euch. Ohne dass ein Pfaffe Euch Absolution erteilen muss.«
    »Du redest dich um Kopf und Kragen.« Der Lochwächter räusperte sich vernehmlich.
    »Mein Kopf ist bereits so gut wie von den Schultern, vergiss das nicht«, gab Gunther fröhlich zurück. »Mehr als einmal kann man ihn wohl kaum verlieren. Aber, Frau Jacob: Egal, was Ihr getan haben mögt, Er wird es Euch vergeben, wenn Ihr Ihn darum bittet.«
    Sterner stieß ein höhnisches Schnauben aus. »Ihr verachtet die Pfaffen und ihre ständigen Aufrufe zur Buße und predigt doch nichts anderes als sie!«
    Gunther schwieg eine Weile. »Ich bin kein gelehrter Mann. Aber ich habe gehört, was Ihr vorhin erzählt habt, und ich weiß, dass Ihr Euch mit einer schweren Last quält. Es geht nicht nur darum, dass Ihr den Tod Eurer Schwester nicht verhindert habt. Habe ich recht?«
    Mit einer heftigen Bewegung sprang Richard auf und marschierte zur Zellentür. »Verschont mich mit Eurem Gewäsch!«
    »Wenn Ihr es wünscht.«
    Katharina konnte Gunthers Hand sehen, die sich auf dem kalten Fußboden abstützte. Ihr Genick begann zu schmerzen. Sie richtete sich auf und massierte ihren Hals.
    »Was ist es, was Euch am meisten quält?«, fragte Gunther.
    Die Frage nahm ihr den Atem. Sterner stand neben der Zellentür, die Hände hatte er zu Fäusten geballt und den Kopf gesenkt, so dass sein Gesicht hinter der Flut seiner braunen Haare nicht zu erkennen war.
    Fieberhaft überlegte Katharina, was sie auf Gunthers Frage antworten sollte.
    Richard spürte die Abwehr, die Katharina empfand, beinahe körperlich. Er konnte sie verstehen. Er hätte sich ebenfalls geweigert, diesem völlig Fremden seine tiefsten Geheimnisse anzuvertrauen. Um die Erinnerungen an Cesare Vasaris bleiche Knochen zu vertreiben, trat Richard zu Katharina. Sie schaute ihn von unten herauf an. Zögernd ging Richard neben ihr auf die Knie, und dann zog er sie nun seinerseits in die Arme.
    Sie legte den Kopf an seine Brust. Er fühlte, dass sie zitterte.
    Sein Herz begann zu flattern.
    Dann erzählte sie von ihrer Kindheit, davon, wie ihr Vater sie geschlagenhatte, weil er den Teufel aus ihrem Kopf vertreiben wollte. Richards Kehle wurde eng bei ihren Worten.
    »Ich weiß, dass Gott mich für eine schwere Sünde straft, indem er mich an der melancholia leiden lässt«, endete sie. »Aber ich kann nicht herausfinden, welche das ist, um sie zu bereuen.« Sie klang jetzt, als sei sie den Tränen nahe. Richard schloss die Augen. »Aber das Schlimmste ist, dass ich mich jede Nacht, wenn es am dunkelsten ist, immer und immer wieder frage, ob es vielleicht meine Schuld ist, dass Matthias sterben musste. Was, wenn ich durch meine Schuld tatsächlich einen bösen Geist auf ihn herabbeschworen habe? Und auf Faro. Was, wenn ich schuld bin an seinem Zustand?«
    Sie beugte den Oberkörper ein wenig zurück. Richard öffnete die Augen wieder, und tatsächlich konnte er jetzt Tränen hinter ihren Lidern schimmern sehen. Im trüben Licht der

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