Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
Vom Netzwerk:
Leib gefesselt. Als er – zum ersten Mal seit Wochen – die frische Luft des frühen Morgens roch, sog er sie tief ein und lächelte.
    »Was ist mit dem?«, beschwerte sich der grobschlächtige Mann in Richards Nähe. »Ist er im Loch verrückt geworden, oder was?«
    Richard hätte dem Kerl am liebsten ein paar scharfe Worte an den Kopf geworfen, doch das erledigte eine Frau für ihn. »Dir wäre es lieber, wenn er schreien und winseln würde, was? Du bist ein Widerling, weißt du das?«
    Der Grobschlächtige schnaubte nur verächtlich.
    Ein Karren wurde vorgefahren, und zwei der Büttel halfen Gunther hinauf. Während er an einer Querstrebe festgebunden wurde, kamen zwei Priester aus dem Rathaus. Einer von ihnen trug ein großes Kreuz an einem Stab, der andere eine kleine schlichte Bibel.
    Jemand in der Menge hinter Richard schimpfte vor sich hin. »Seht, wie sie sich aufplustern!«, flüsterte eine Frau. Tatsächlich standen die beiden Priester mit hoch erhobenen Köpfen da. Ihre liturgischen Gewänder leuchteten im Licht der Fackeln in dunklem Violett, der Farbe der Fastenzeit und der Buße.
    Nachdem die beiden Büttel wieder von dem Karren herabgestiegen waren, kletterte Sebald Groß hinauf, und eigentlich hätte es nun losgehen sollen, auf den Weg zum Rabenstein. Aber nichts tat sich. Sowohl der Lochwirt als auch die Büttel standen ratlos da, während die Schöffen einfach nur die Arme vor der Brust verschränkten und warteten.
    Wieder begannen die Menschen zu tuscheln.
    »Was passiert jetzt?«, hörte Richard die Frau fragen, die eben noch über die Priester geschimpft hatte.
    »Sieht so aus, als hätten sie noch einen Verurteilten«, bekam sie zur Antwort. »Weiß jemand davon?«
    Aber niemand hatte von einer weiteren Hinrichtung gehört. Es blieb den Menschen nichts anderes übrig, als neugierig der Dinge zu harren, die nun folgen sollten.
    Auch diesmal hatte Sebald beim Verlassen der Zelle wieder die Lampe dagelassen.
    Katharina zwang sich, der Angst nicht nachzugeben, die im selben Moment nach ihr griff, als sich der Schlüssel im Schloss drehte. Sie ging in ihrem engen Gefängnis auf und ab, vier Schritte in die eine Richtung, vier wieder in die andere, und versuchte, nicht zu sehr über das zu grübeln, was ihr bevorstehen mochte. Zeuner hatte ihr versprochen, sich für sie einzusetzen. Das war der Gedanke, an den sie sich klammerte. Und dann war da noch Richard. Sie kannte ihn erst seit kurzem, aber an seiner Kleidung und seinem Auftreten glaubte sie ablesen zu können, dass er reich war. Und in Nürnberg bedeutete Reichtum gleichzeitig auch Einfluss. Mit ihm hatte sie also schon zwei mächtige Männer auf ihrer Seite.
    Sie fasste sich an den Mund, wo sie noch die sanfte Berührung seiner Lippen zu spüren vermeinte.
    Kurze Zeit später betrat Bürgermeister Zeuner die Zelle. Anders als beim letzten Mal war er jetzt allein, und er schloss die Tür sorgfältig hinter sich, bevor er das Wort an Katharina richtete.
    »Es ist nicht üblich, was ich hier tue«, eröffnete er das Gespräch. Er sah erschöpft aus, seine Haare hingen ihm wirr in die Stirn, und die Gesten, mit denen er sprach, wirkten weniger ruhig und überlegen als sonst. »Ich muss Euch leider mitteilen, dass es einen zweiten Mord gegeben hat.«
    Die Nachricht war nicht neu für Katharina, aber die Art, wie Zeuner darüber sprach, machte ihr Angst. Und dass sie allen Grund dazu hatte, zeigte ihr das, was er als nächstes sagte: »Der Mann, der getötet wurde, war Peter Hoger.«
    Katharinas Knie wurden weich, und sie ließ sich auf die Bank fallen.
    Zeuner sah ihre Verwirrung. »Zwei Morde, zwei Männer, die Ihr kanntet. Als Ihr verhaftet wurdet, da geschah das wegen HogersAnklage, dass Ihr eine Hexe seid. Aber jetzt ... Ihr wart Faros Verlobte, stimmt es?«
    »Nein. Er warb ...«, sie korrigierte sich rasch, »er wirbt um mich. Er ist nicht tot, redet nicht von ihm, als sei er tot.«
    »Und Ihr seid gleichzeitig die Tochter von Mechthild Augspurger, der Frau des Henkers, nicht wahr?«
    Katharina presste die Lippen zusammen. »Ihr seid ein guter Schöffe. Es stimmt. Ich habe versucht, es zu verheimlichen, weil ich sonst niemals in die Häuser meiner Patientinnen gelassen worden wäre.«
    »Nun, als man Euch gestern hierher brachte, da versprach ich Euch, mich darum zu kümmern, dass die Hexenanklage fallengelassen wird. Ich glaubte, das recht leicht bewerkstelligen zu können, denn Hoger galt als Trinker, und im Rat sitzt eine Reihe Männer,

Weitere Kostenlose Bücher