Seraphim
selbst offenbaren wird. Ihr müsst Geduld mit ihm haben. Aber diese Zeichnungen, Katharina ...«
Sie wischte sich über die Augen.
»Es sind medizinische Skizzen«, erklärte er. »Nach Magdalenas Tod hat Richard einen Schwur geleistet. Einen Schwur, sein Leben der Aufgabe zu weihen, herauszufinden, wie man Menschen vor dem Ertrinken retten kann.« Er lächelte schwach. »Es sieht so aus, als hättet Ihr von seinen Forschungen profitiert.«
Plötzlich fühlte sich Katharina unendlich müde und ausgelaugt. Ihr wurde bewusst, dass sie ihren Rock zwischen den Finger knetete, und sie ließ ihn los und versuchte, die Falten glatt zu streichen.
»Richard ist kein Mörder!«, sagte Arnulf eindringlich. »Was versprecht Ihr Euch von mir? Wie soll ich Euch helfen?«
Sie wusste keine Antwort. Alles, was sie wusste, war, dass sich auf einmal ihr Herz vor Angst zusammenzog und sie kaum noch atmen konnte. »Wo könnte Richard sein?« Alles, was sie wollte, war, zu ihm zu gehen, von ihm festgehalten zu werden.
»Er war heute Mittag hier. Danach wollte er zu diesem Getreidehändler gehen, zu diesem Pömer, der am Großen Markt wohnt.«
»Meint Ihr, er könnte noch dort sein?«
»Gut möglich. Wollt Ihr zu ihm?«
Sie nickte nur.
»Möchtet Ihr, dass ich Euch begleite?« Er war schon halb aufgestanden. Fragend schaute er Katharina an.
Sie nickte noch einmal. »Das wäre gut.«
»Dann kommt.« Er nahm sie bei der Hand und wollte sie schon aus der Gaststube ziehen, als der Wirt hinter ihnen herschrie: »He, wer bezahlt die Zeche?«
Arnulf schaute sich kaum zu ihm um. »Schreib’s an!«, brummte er, und auf einmal klang er wie ein völlig anderer Mensch.
* * *
»Ruhig! Es ist alles gut!«
Die heisere Stimme dicht an Richards Ohr holte ihn zurück aus der Finsternis. »Pömer?«, murmelte er. Ihm war schwindelig und übel, und seine Brust stand in hellen Flammen. »Warum bin ich noch gefesselt?«
»Ihr seid nur kurz bewusstlos gewesen. Ich wollte Euch gerade losbinden.« Der Getreidehändler nestelte an den Riemen herum, und im nächsten Moment fielen sie zu Boden.
Richard öffnete die Augen. Der schwarz-silberne Vorhang, die Fässer, die Kerzenleuchter, alles wirkte weit weg, dann verspürte er ein starkes Schwindelgefühl, und die Dinge rückten in die richtigen Entfernungen. Pömer stand über ihn gebeugt. Als er sah, dass Richards Augen offen waren, trat er einen Schritt zurück und lächelte aufmunternd.
»Wie geht es Euch?«
Richard sah an sich herab. Blut hatte sich in der Vertiefung unter seinen Rippen gesammelt und rann rechts und links von seinemBauch herunter. Der Schmerz war grell und heiß. »Ich fühle mich wie ein Stück Schlachtvieh.« Er wollte sich aufsetzen, um sich die Verletzungen besser ansehen zu können, aber Pömer drückte ihn in eine liegende Position zurück.
»Wartet! Ich verbinde Euch erst und gebe Euch etwas gegen die Schmerzen.«
Er verschwand hinter dem schwarzen Tuch und kehrte gleich darauf mit einem kleinen Metallkästchen wieder, das er neben Richard auf dem Seziertisch abstellte. Er kramte darin herum, dann entnahm er ihm einen Stapel Binden und eine kleine Dose mit Salbe. »Ihr könnt von Glück sagen, dass Marquard zu wahnsinnig war, um Euch wirklich ernsthaft zu verletzen. Die Schnitte sind nicht besonders tief, und es wurden keine großen Adern verletzt. Ihr solltet schnell wieder auf die Beine kommen.«
»Was ist in ihn gefahren?« Richard schaute am Rand des Tisches vorbei. Ein paar Stiefel ragten in den schmalen Ausschnitt, den er von seiner liegenden Position aus überblicken konnte. »War es derselbe Wahnsinn, dem im Moment so viele erliegen?«
Pömer machte ein betroffenes Gesicht. »Wahrscheinlich. Aber was mich viel mehr verwundert, woher wusste er von diesen Medizinern aus Padua? Und was hatte er mit ihnen zu tun?«
Richard drehte den Kopf zurück in die Mitte. »Wir werden es vermutlich nie erfahren. Er ist tot, oder? Was habt Ihr mit ihm gemacht?«
»Ich hatte eigentlich nicht vor, ihn zu töten, aber im Kampf konnte ich ihm sein Messer abnehmen und ... seid froh, er hätte sonst vielleicht noch Schlimmeres angestellt als das hier.« Vorsichtig wischte Pömer das Blut von Richards Brust. Jetzt kamen die Schnitte zum Vorschein, und sie waren wirklich nicht so tief, wie der brutale Schmerz hatte vermuten lassen. Dennoch bluteten sie nach wie vor.
Pömer nahm etwas Salbe aus der Dose und bestrich damit ein Stück weißes Leinen. »Das ist eine Paste aus
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