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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Klinge fort.
    Marquard taumelte.
    Prallte gegen den Tisch. Richard hörte, wie die Beine des Möbels über den Steinfußboden kreischten. Dann erkannte er, was geschehen war.
    Pömer hatte Marquard angefallen.
    Gemeinsam gingen die beiden zu Boden. Richard hörte ein dumpfes Ächzen, dann ein Keuchen, einen wütenden Aufschrei. Noch einmal stieß etwas gegen den Tisch, und wieder rutschte er zur Seite.
    Richard warf den Kopf herum. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Pömer und Marquard ineinander verkrallt über den Boden rollten, dann verschwanden sie wieder unter dem Tisch.
    Schließlich ein Schrei. So langgezogen und qualvoll hallte er von der Höhlendecke wider, dass Richard nicht ausmachen konnte, wer ihn ausgestoßen hatte. Stille breitete sich aus.
    Richard lag bewegungslos. Das Herz klopfte mit solcher Wucht gegen seine Rippen, dass ihm schlecht davon wurde. Er würgte, doch nur ein wenig bittere Galle stieg in seiner Kehle hoch und brachte sie zum Brennen.
    Mit tränenden Augen lauschte er, ob sich etwas rührte. Wer war es gewesen, der so geschrien hatte?
    Lass es Marquard gewesen sein, betete er lautlos. Herr, ich habe dich Jahre lang um nichts gebeten, aber jetzt flehe ich dich an! Richards Magen drehte sich ein zweites Mal um, diesmal hatte er Schaum im Mund. Er ächzte auf.
    Dann bewegte sich etwas unter dem Tisch.
    »Pömer?«, rief Richard. »Seid Ihr das?«
    Es gab ein Geräusch, als schabe Stoff über raues Gestein, jemand keuchte, dann griff eine fette Hand nach der Kante des Tisches.
    Richards Magen machte einen Satz. Pömer!
    Der Getreidehändler zog sich schwer atmend an dem Tisch in die Höhe und stützte sich dann direkt neben Richards Hüfte mit beiden Händen darauf ab.
    »Ihr könnt von Glück sagen«, krächzte er und hustete dabei heftig, »dass Marquard so ein Hänf...«
    Den Rest hörte Richard nicht mehr, denn ihm schwanden erneut die Sinne.
    * * *
    Die Türmer läuteten die Stunde vor Mitternacht, als Katharina endlich das Gasthaus »Zur krummen Diele« gefunden hatte. Es lag versteckt in einem Teil der Stadt, den sie bisher nur selten aufgesucht hatte. Eng und düster waren die Gassen hier, und Unrat lag überall herum und gammelte vor sich hin. Ein strenger Geruch von Kot und Urin schwebte über allem, vermischt mit einem Anflug von Schimmel, der Katharinas Nase reizte und sie zum Niesen brachte.
    Sie blieb vor der Eingangstür des Gasthauses stehen und warf einen zweifelnden Blick an der windschiefen Fassade nach oben. Wenn sie Arnulf hier nicht fand, wusste sie nicht mehr weiter.
    Nachdem sie beide Hände auf den Busen gepresst und so tief Luft geholt hatte, wie sie nur konnte, zog sie die Gasthaustür auf. Warme, stickige Luft drängte ihr entgegen, gesättigt mit den Ausdünstungen zu vieler Menschen. Katharina rümpfte die Nase, trat jedoch ein und sah sich um.
    Ein Mann stand hinter der Theke und schaute ihr fragend ins Gesicht, ebenso ein buckeliger Kerl, der an einem der Tische hockte und trank. Er packte seinen Nachbarn am Ärmel und schüttelte ihn, so dass nun auch der auf Katharina aufmerksam wurde. Nach und nach richteten sich immer mehr Augenpaare auf sie.
    Sie zog die Schaube enger um den Hals und zwang sich dazu, jeden einzelnen der Anwesenden genauer anzusehen.
    »Was wollt Ihr, Frau?«, fragte der Mann hinter der Theke. Sein Blick huschte über Katharinas Gestalt, von Kopf bis Fuß und wieder zurück.
    Sie musste sich räuspern, bevor sie antworten konnte. »Arnulf. Ich suche Arnulf, den Nachtraben«, krächzte sie.
    An einem der hinteren Tische stieß jemand einen Mann an, der halb im Schatten verborgen saß und Katharina bisher kaum einen Blick geschenkt hatte. Er hatte seinen Stuhl gegen die Wand gelehnt und die Beine auf einem Schemel abgelegt. Jetzt ließ er sie zu Boden gleiten und blickte auf. In seinen grünen Augen blitzte Erkennen, aber keinerlei Verblüffung, sie zu sehen.
    Katharina war bei ihm, bevor er sich erhoben hatte. »Ihr müsst mir helfen«, bat sie. Ihre Fingerknöchel schmerzten, und sie bemerkte, dass ihre Hände zu Fäusten geballt waren, seitdem sie das Gasthaus betreten hatte.
    Arnulf schaute wortlos zu, wie sie die Finger lockerte. »Setzt Euch.« Mit dem Fuß schob er ihr den Schemel zu. Seine Stimme klang ein wenig schleppend, und der Krug, der vor ihm auf dem Tisch stand, war leer.
    Katharina ließ sich nieder und rang nach Worten. »Man jagt mich.«
    Arnulf hob eine Augenbraue, sonst rührte er sich nicht.
    »Es geht um diese

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