Seraphim
Rat einmal zu groß werden sollten und ...«
»Quatsch nicht soviel!«, unterbrach Richard ihn.
Pömer ließ sich nicht beirren. »Dieses Loch ist ein Zugang zur unterirdischen Wasserversorgung der Sebalder Stadt. Hierunter befindet sich eines der Auffangbecken, wie ich sie dir beim Herkommen gezeigt habe. Aus ihm werden alle großen Wasserleitungen in der Nordstadt gespeist.« Er hielt inne und überlegte. »Nun, wenigstens die meisten. Was, meinst du, passiert, wenn jemand hier ein wirksames Gift ins Wasser leitet?« Er hob die Kerzen ein wenig an, so dass der Schatten des Kübels verzerrt über die Wände huschte. Kurz entstand in Richards Geist der Eindruck, dass es sich bei der Konstruktion um eine riesige menschliche Gebärmutter handelte. Der eiserne Hahn war tatsächlich Teil der Mechanik, aber Richard hatte nicht genug Kraft, sich jetzt damit zu beschäftigen.
Er musste sich auf das Wesentliche konzentrieren, wenn er eine Möglichkeit finden wollte, hier herauszukommen. Er versuchte, seine Arme in eine bequemere Position zu bringen, aber die Schmerzen wühlten sich nur noch tiefer in Schultergelenke und Brust. Er biss dieZähne zusammen und zwang sich, dankbar dafür zu sein. Besser der Schmerz, als dieses elende Gefühl, die Kontrolle über seinen Geist zu verlieren. »Ihr ... du willst Nürnberg vergiften? Warum nur?«
»Ich will es nicht nur, ich habe es bereits!« Pömer krümmte den Zeigefinger und pochte gegen das Gefäß. Es gab einen dumpfen Klang von sich, der Kübel schien voll zu sein. »Was meinst du, woher die Ausschreitungen der letzten Tage rührten, hm?«
»Der Wahnsinn am Rabenstein?« Richard spürte ein Kribbeln im Nacken.
»Der Brunnen war vergiftet. Erinnerst du dich daran, wie ich sagte, dass es Gifte gibt, die mit der Zeit ihre Wirkung verlieren?«
Richard presste die Lippen zusammen. Also hatte Arnulf doch recht gehabt! »Und die Unruhen in der Stadt?«
Jetzt kam Pömer wieder auf ihn zu und blieb sehr dicht vor ihm stehen. Das Glühen seiner Augen verwandelte sich in grelles Leuchten. Richard konzentrierte sich auf seinen Geruch, ein wenig Schweiß, viel Rosenwasser. Er zwang sich, ihn tief einzuatmen. Nicht verrückt werden!
»Ein kleiner Versuch«, erklärte der Getreidehändler. »Ich musste doch wissen, wo das Gift überall landet, wenn ich es hier in die Wasserleitung kippe.« Er wedelte hinter sich in Richtung des Kübels. »Ich muss sagen, es ist faszinierend, wie weitverzweigt das Leitungssystem unter der Stadt ist. Die Menschen wurden sogar dort irre, wo ich es gar nicht vermutet hätte.« Er tippte sich an die Schläfe und verzog das Gesicht zu einer Maske des Wahnsinns. Als Richard sich gegen seine Fesseln warf, lachte er.
Richard schrie gepeinigt auf. »Warum?«
»Oh. Das ist eine lange Geschichte. Willst du sie wirklich hören? Ach, stimmt ja, du hast, glaube ich, gerade nichts anderes vor. Wie schön!« Pömer lehnte sich mit verschränkten Armen gegen eine Säule.
Dann fing er an zu erzählen, und vor Richards Augen wurden die Worte, die aus seinem Mund drangen, zu langen Feuerflammen, die nach ihm leckten und ihn einzuhüllen drohten.
* * *
»Pömer ...« Hartmann Schedel warf die Brille achtlos zurück auf sein Pult. »Ihr sagtet, ein Freund Richards schickt Euch. Was will er, dass ich tue?«
»Ihr sollt die Stadtbüttel holen und mit ihnen durch die Lochwasserleitung in Richtung Burgberg gehen. Er sagt, Ihr wüsstet dann schon, wohin Ihr müsst. Er ist bereits allein dorthin unterwegs. Wenn Pömer wirklich der Eng...«
»Ich gehöre nicht zum Inneren Rat, ich bin den Bütteln gegenüber nicht weisungsberechtigt!« Mit verzweifeltem, zu Tode erschrockenem Blick sah Schedel Katharina an, als erwarte er von ihr einen Rat, was er tun solle.
»Könnt Ihr nicht jemanden vom Rat bitten?«
Er schlug auf das Blatt, das er noch in den Händen hielt. »Wer würde mir nach der Sache mit Sebald noch glauben? Nein, wir brauchen einen Beleg für das, was wir herausgefunden haben!« Schedel biss sich auf die Oberlippe. »Ich habe eine Idee, aber dazu brauche ich Hilfe.« Er wies in Richtung Haustür. »Frau Jacob, lauft zu Eurem Stiefvater und bittet ihn, mit Euch und dem Löven zum Burgberg zu gehen. Er ist den Umgang mit dem Schwert gewohnt, und er wird Euch hoffentlich keine langen Fragen stellen.«
Katharina schluckte, aber dann nickte sie. Wenn sie Bertram erzählte, in welcher Gefahr sich Richard möglicherweise befand, würde er mit ihr kommen, da war sie
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