Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
Vom Netzwerk:
Stuhl und fiel darauf. Mit der Linken nahm er die Brille von der Nase und rieb sich die Augen. »Das ist ... Herr im Himmel! Dieser Arnulf hat wirklich Recht: Das Antoniusfeuer ist die Verbindung.«
    Katharina lief zu ihm, kniete vor ihm nieder und nahm ihm das Blatt aus der Hand. »Redet doch!«, bat sie. »Was sagt Euch dieser Text?«
    Hartmann Schedel ließ den Kopf auf die Brust sinken. Seine Schultern hoben und senkten sich in raschem Rhythmus, als sei er einem Herzanfall nahe. Dann blickte er wieder auf, schaute Katharina tief in die Augen. Seine Stimme klang hohl, als er flüsterte: »Er sagt mir, dass Enzo Pömer der Engelmörder ist!«
    * * *
    Pömers irres Kichern hallte in Richards Kopf wider und verursachte solche Schmerzen, dass er sich am liebsten gekrümmt hätte. Doch die Fesseln hielten ihn aufrecht, und so konnte er nichts weiter tun, als gequält die Augen zu schließen, gegen die Lichtfunken anzukämpfen, die hinter seinen Lidern tanzten, und zu warten, bis der Getreidehändler sich einigermaßen beruhigt hatte.
    Zu seiner Erleichterung klappte Pömer irgendwann den Mund zu und wurde wieder ernst. Richard kniff die Augen zusammen, um das Flimmern am Rand seines Gesichtsfeldes zu unterdrücken.
    »Wirkt der Trank schon, den ich dir gegeben habe, als du bewusstlos warst?« In einem Moment der Pause kippte Pömers Stimme und verwandelte sich von der eines Kindes zurück in die eines erwachsenen Mannes. »Siehst du Lichter und Fratzen, ja?« Verwirrt versuchte Richard zu begreifen, was hier vor sich ging. Er hatte so etwas noch nie zuvor erlebt, oder? Eine Erinnerung schoss ihm durch den Kopf, vage nur, aber deutlich genug, um sich daran festzuklammern. Das Gasthaus »Zur krummen Diele«, ein Mann, der früher tagaus, tagein an der Theke gesessen und Branntwein getrunken hatte. Wenn er sehr stark betrunken gewesen war, dann war er weinerlich geworden und hatte mit schriller, weibischer Stimme geredet.
    »Was für ein Trank?«, murmelte Richard. Und gleichzeitig fragte er sich, ob es Mittel gab, deren Wirkung der von starkem Alkohol glich. Mittel, die einen Menschen in einen anderen verwandeln konnten.
    Pömer jedoch antwortete nicht auf seine Frage. »Du wolltest wissen, warum ich die Essenzen aus den schwarzen Körnern destilliere«, sagte er so ruhig, als sei er nie von diesem Wahn überwältigt worden. Auf seine Weise jagte er Richard damit noch mehr Angst ein als zuvor.
    »Stimmt.« Richard straffte sich, um seine Schultern zu entlasten. Vielleicht gelang es ihm, Pömer irgendwie zur Vernunft zu bringen, wenn er nur weiter mit ihm sprach. »Erzählt es mir!«
    Im nächsten Moment krachte eine Ohrfeige in sein Gesicht und riss seinen Kopf herum. »Ich habe dir soeben Freundschaft angeboten!«, kreischte Pömer mit kindlicher Stimme. »Wer bist du, dass du das zurückweisen darfst?«
    Richard schmeckte Blut auf der Lippe, und er wischte sie sich an der Schulter ab. Dann begriff er, was Pömer ihm sagen wollte. »Entschuldige«, nahm er die vertraute Anrede auf. »Ich habe nicht aufgepasst.«
    Pömer entblößte die Zähne zu einem zufriedenen Grinsen. »So ist es besser.« Wieder sprach er in jenem heiseren Tonfall, der Richard über die Jahre so vertraut geworden war.
    Richard bohrte seinen Blick in den des Getreidehändlers. Diese glühenden Augen!
    Pömer zögerte. »Warte, ich zeige dir was.« Er nahm einen Kerzenständer auf, den er ganz in der Nähe abgestellt hatte, entfernte sich einige Schritte. Richard erkannte nun, dass sie sich immer noch in der Höhle unter der Kaiserburg befanden. Pömer hatte ihn in einer Nische angebunden, die von zweien der Säulen und der Höhlenwand gebildet wurde. Richard legte den Kopf in den Nacken, um zu sehen, woran die Enden der Seile befestigt waren, die ihn banden. Aber in dieser Haltung überlagerte das Flimmern alles andere.
    Der monströse Kübel mit dem Zahnradmechanismus befand sich ganz in der Nähe, und Pömer blieb nun direkt davor stehen. Von seiner jetzigen Position aus konnte Richard erkennen, dass unter der dreifüßigen Konstruktion ein großes Loch im Boden gähnte. Es schien nicht natürlichen Ursprungs zu sein, denn es war kreisrund und mit einer kniehohen Ummauerung versehen, die einen ziemlich alten, halb verfallenen Eindruck machte.
    »Das hier«, Pömer wies auf das Loch, »ist eine nette kleine Überraschung, die die früheren Burgherren sich für die Stadt ausgedacht haben, für den Fall, dass ihre Meinungsverschiedenheiten mit dem

Weitere Kostenlose Bücher