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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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kamen, wosie gute Pflege und gutes Essen erhielten. Dann schickte der Herr eine schwere Prüfung auf Florenz. Dort lebte ich damals. In einem Herbst erkrankten Dutzende an der Seuche, und ich hatte eine Vision. Ich sah diese Menschen schwarzes Brot essen und anschließend in Flammen aufgehen.«
    Flammen! Richard warf den Kopf in den Nacken und schrie, weil sich sein Körper unter Schmerzen verkrampfte. Etwas legte sich auf seine Ohren, der Druck wurde so stark, dass das Summen sich in ein Kreischen verwandelte. Dann platzten seine Tommelfelle, und dunkelrot rann ihm das Blut aus den Ohren und über die Schultern. Aus der Dunkelheit, die sich über seinen Geist legen wollte, winkten ihm bleiche Knochen zu.
    Wieder war da dieser Schmerz am Schienbein. Wieder tauchte er aus seinen Visionen auf, hörte Pömers heisere Stimme. Er blickte auf seine Schultern. Weiß waren sie. Kein Blut. Seine Trommelfelle waren intakt, das Kreischen ließ nach.
    »... und so kam ich auf die Idee, das Brot der Kranken zu untersuchen. Ich fand heraus, dass ein jeder von ihnen billiges Brot gegessen hatte, Brot, das nicht sorgfältig verarbeitet worden war und in dem die verkrüppelten schwarzen Körner, die an den Ähren wachsen, nicht ausgesiebt worden waren.« Pömer schaute Richard aus glühenden Augen an. »Ich hatte den Grund für das Antoniusfeuer gefunden, kannst du dir das vorstellen?«
    Sämtliches Blut aus Richards Armen und seinem Oberkörper war nach unten gewichen. Seine Beine fühlten sich schwer an, als steckten sie in einer Eisenrüstung, während seine Hände taub waren und kribbelten. Sein gesamter Brustkorb schmerzte jetzt, nicht mehr nur die Schnitte. Er bekam nur mühsam Luft.
    »Was meinst du, was geschah?«, fragte Pömer.
    Richard antwortete nicht.
    »Ich ging zu den Medici der Stadt und erzählte ihnen von meiner Entdeckung. Aber sie lachten mich aus. Ich war kein studierter Mann, und das Antoniusfeuer galt als ansteckende Krankheit. Weil ich nicht schweigen wollte, weil ich versuchte, mein Wissen an anderen Stellen kundzutun, setzten die Gelehrten ein Gerücht in die Welt. Sie behaupteten einfach, dass ich mich bei den Kranken angesteckthatte und wahnsinnig geworden sei. Ich wurde wegen aufrührerischer Reden verhaftet und aus der Stadt gejagt.« Pömer schloss die Augen. Dann senkte er das Kinn und schlug den Schädel einmal heftig gegen die Säule. Es gab einen dumpfen Laut, der in Richard den Wunsch weckte, Pömers Kopf zu packen und ihn so lange auf den Boden zu schlagen, bis er aufhörte zu reden. Er klammerte sich an den aufsteigenden Zorn wie an einen Rettungsanker, der ihn vor dem Wahnsinn bewahren konnte.
    »Also kam ich nach Nürnberg. Ich hörte von den Felsengängen unter der Stadt, und sie faszinierten mich. Ich baute den Gang, erforschte den Untergrund und fand diese Höhle hier. Gleichzeitig gelang es mir, zu Geld und Ansehen zu kommen, da mein Mehl besser war als das der anderen Händler.«
    »Weil Ihr ... weil du die schwarzen Körner aussieben ließest«, vermutete Richard.
    »Genau. Ich begann, mit ihnen zu forschen, und irgendwann stellte ich fest, dass es möglich ist, ihre Wirkung zu verstärken. Ich entwickelte diese Apparaturen hier und arbeitete weiter. Zur gleichen Zeit wurde ich in den Stadtrat aufgenommen und wurde damit zu einem bedeutenden Bürger. Sogar der König hat mein Brot gegessen, als er hier in Nürnberg seinen Reichstag abgehalten hat. Vor zwei Monaten ließ er mich rufen, um mich zu fragen, was ich anders machte als die anderen Händler. Ich erzählte es ihm, aber natürlich verriet ich ihm nichts von meinen heimlichen Studien. Er fragte mich, wie er mich für meine Verdienste belohnen könnte, und ich war geschmeichelt. Dummerweise hatte Maximilian nicht allzu viel anzubieten. An Reichtum lag mir nichts, davon hatte ich selbst genug. Mir stand eher der Sinn nach Macht und Einfluss ...« Pömer hielt inne, weil in der Dunkelheit ein Geräusch erklang. Es hörte sich an wie ein Steinchen, das von einem Fuß angestoßen worden war und klickernd davonrollte.
    »Warte hier!«, sagte der Getreidehändler. Er warf einen Blick auf Richards Fesseln und grinste höhnisch, während er sich in die Höhe quälte. »Ich bin gleich wieder da!«
    * * *
    Der Raum, in dem der Stadtrat von Nürnberg seine Schriftstücke und Urkunden aufbewahrte, war bis unter die Decke vollgestellt mit Regalen. Als Genannter des Großen Rates hatte Hartmann Schedel hier Zugang, so oft er wollte.
    Mit kurzen

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