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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Krainer. Dann beugte er sich vor und flüsterte Johannes etwas ins Ohr.
    Johannes riss die Augen auf.
    * * *
    Richard hatte seine Halsmuskeln nicht mehr unter Kontrolle. Sein Kopf kippte nach vorn, und kurz versank er in einem Meer aus dunkelroten Flammen. Ein kurzer Schmerz am Schienbein ließ ihn wieder zur Besinnung kommen.
    Pömer hatte ihn getreten. Er hatte sich inzwischen an der Säule nach unten sinken lassen und saß nun mit dem Rücken gegen sie gelehnt. Er sah aus, als fühle er sich äußerst wohl. »Reiß dich zusammen! Es ist nur ein kleiner Rausch. Du hast nicht viel geschluckt, als du ohnmächtig warst. Nur eine winzige Dosis, viel kleiner als die, die Marquard bekommen hat.«
    »Marquard«, murmelte Richard. »Dann hast du ihn auch vergiftet?«
    »Was glaubst du? Nachdem ich ihm zusammen mit dir den geheimen Gang gezeigt habe, ist er sehr neugierig geworden – und ein bisschen neidisch, dass ich dich mit so wichtigen Aufgaben betraut habe und ihn nicht.«
    Kurz erinnerte Richard sich daran, dass er damals in Pömers Keller ein ungutes Gefühl dabei gehabt hatte, dass nun auch Marquard von dem Gang wusste.
    »Aber er war so ein berechenbarer Narr!« Pömer lachte auf. »Er hat genau das getan, was ich vorausgesehen habe. Er drohte, mich und den Gang an den Stadtrat zu verraten, und das gab mir einen guten Grund, ihn hier unten einzusperren.« Er sagte das mit einer Selbstverständlichkeit, als handele es sich bei dem Maler um einen Hund und nicht um einen Menschen. »Ich brauchte ein Versuchsobjekt, und er eignete sich hervorragend dafür. Es war höchst aufschlussreich, zu sehen, wie leicht es ist, einem Mann, der unter dem Einfluss des Giftes steht, alle möglichen Dinge einzureden. Am Ende hat er selbst geglaubt, dass er die Studien von Peter Ludder fortführen muss.« Pömer schnalzte mit der Zunge, als koste er einen besonders edlen Wein. »Ich glaube, er dachte sogar, er sei damals dabei gewesen. Faszinierend, nicht wahr?«
    »Du hast ihn mich mit Absicht fesseln lassen! Er wollte mich sezieren, bei Gott, Pömer!«
    »Ich habe ihn aufgehalten, oder etwa nicht?« Erneut klang Pömer quengelig, kindisch und schrill.
    Richards Geist drohte erneut in die roten Flammen abzudriften. Er riss sich zusammen. »Wer hat ihn aufgehalten, du, Enzo Pömer? Oder jemand anderes? Wer bist du jetzt?« Er musste es wissen, musste durchschauen, was mit Pömers Geist geschah. Nur dann, das ahnte er, würde er vielleicht eine Gelegenheit bekommen zu fliehen.
    »Wer ich bin?«, fragte das Kind in dem Getreidehändler erstaunt. »Lorenz natürlich, und meine Mama heißt Sigrid. Sie ist eine schöne Frau, aber streng. Sehr streng, weil ich immerzu böse bin. Sie will einen Engel, nichts weiter, nur einen Engel ...«
    »Und wer hat Marquard davon abgehalten, mich zu töten?«, hakte Richard nach. Für einen Moment überstrahlte der Schmerz in seinem Kopf alle anderen. »Das warst nicht du, Lorenz, oder?«
    »Es war Enzo. Enzo ist groß. Und stark. Er hilft den Menschen.«
    Richard sah Pömer zweimal blinzeln, dann blieben die Lider des Getreidehändlers für einen Augenblick gesenkt, und als er sie wieder aufschlug, war Lorenz fort und Enzo Pömer wieder da.
    Als sei nichts gewesen, setzte er seine Erzählung fort. »Wie ich bereits sagte, war er an einer schrecklichen Seuche erkrankt: dem Antoniusfeuer. Ich musste mit ansehen, wie er litt, wie er sich in Qualen auf seinem Lager wälzte, weil seine Gliedmaßen von brandigem Aussatz befallen waren, schwarz wurden und schließlich abfielen ...«
    In Richards Ohren summte es. Er ahnte, dass er eigentlich wissen müsste, von wem Pömer sprach, kam aber nicht darauf. Er wollte nachfragen, aber er spürte, wie es unwichtig wurde. Völlig einerlei. Die Bilder, die Pömers Worte in seinem Kopf heraufbeschworen, waren gleichzeitig klar und verschwommen, und sie wirkten auf ihn in ihrer Grausamkeit wunderschön.
    »... damals schwor ich mir, ein Heilmittel gegen diese furchtbare Krankheit zu finden, und ich begann, Wissen darüber zu sammeln. Ich suchte Hunderte von Erkrankten auf, befragte sie, lebte sogar mit ihnen. Der Herrgott war meiner Sache gewogen, das wusste ich, denn obwohl ich engsten Kontakt mit diesen Menschen hatte, steckte ich mich niemals an. Und mehr noch: Ich fand den Grund für die Krankheit heraus. Ich stellte fest, dass es oftmals arme Menschen waren, die darunter litten, und dass sich ihr Zustand rasch besserte, sobald sie in die Spitäler des Antoniusordens

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