Seraphim
bewerkstelligen.
Schedel deutete auf die Leiche. »Wer weiß davon, was mit ihm geschehen ist?«, fragte er Bruder Johannes.
»Die Mönche«, gab der zur Antwort. »Jedenfalls die, die mir geholfen haben, den Leichnam hier hereinzubringen.«
»Damit wissen es alle im Kloster«, sann Schedel nach.
Bruder Johannes nickte. »Dann der Kutscher, der ihn geliefert hat. Bürgermeister Zeuner. Und die Menschen, die ihn gefunden haben.«
»Wer war das?«
»Ich glaube, der Lochwirt.«
Schedel überlegte einen Moment. Dann fasste er sich. »Ich werde im Anschluss an dieses Gespräch gleich zu Bürgermeister Zeuner gehen und ihn bitten, mich offiziell mit der Untersuchung des Leichnams zu betrauen.«
Den mit den Morduntersuchungen betrauten Schöffen war es freigestellt, welchen Stadtmedicus sie zur Prüfung der Leiche heranziehen wollten.
»Du bist Physicus«, wandte Bruder Johannes ein, »kein Chirurg.«
Schedel funkelte ihn mit soviel Zorn in den Augen an, dass Richard sich fragte, was zwischen den beiden vorgefallen war. Die seltsame Art, in der sie Blicke austauschten, der betont kühle Umgang mit dieser so gotteslästerlich verunstalteten Leiche – irgendetwas stimmte hier nicht!
»Die Leute in den Straßen tuscheln bereits«, sagte Schedel. »Dieser Mordfall sollte so schnell wie möglich aufgeklärt werden, sonst entsteht noch das Gerücht, der Teufel hätte seine Dämonen geschickt, um Gottes Engel zu vernichten. Johannes, würdest du jetzt bitte dafür sorgen, dass diese beiden Leute hier das Kloster verlassen? Ach, und Sterner: Untersteht Euch, den Leuten auf der Straße etwas von dem Ganzen hier zu erzählen!« Er bohrte seinen Blick in den Richards. »Wir wollen doch vermeiden, dass die Menschen draußen in Angst und Schrecken verfallen.«Katharina war kaum fähig, dem Gespräch zwischen Sterner und diesem bekannten Nürnberger Physicus, diesem Hartmann Schedel, zu folgen. Die Spinnweben in ihrem Geist hatten sich beim neuerlichen Anblick von Matthias zu einem undurchdringlichen grauen Geflecht verdichtet, und sie verspürte das schreckliche Bedürfnis, sich gegen den Schädel zu schlagen, um sie zu vertreiben. Als der Mönch, der sie auch eingelassen hatte, sie zum Klostertor begleitete, schaffte sie es kaum noch, sich aufrecht zu halten. Das Geräusch, mit dem das Tor hinter ihnen zufiel, dröhnte in ihr wider wie der Ton einer großen Bronzeglocke.
Es dauerte einen Moment, bis sie bemerkte, dass Sterner dicht neben ihr stand.
»Es geht Euch nicht gut«, sagte er. »Kann ich Euch nach Hause begleiten?« Er reichte ihr den Arm, doch sie griff nicht danach. Der Anblick eines schmalen silbernen Rings, den er am kleinen Finger trug, zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Aber nur kurz, dann schweiften ihre Gedanken wieder ab.
»Es ist schon gut«, murmelte sie und strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr.
»Ihr seht sehr blass aus«, stellte Sterner fest.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich danke Euch für Euer Mitgefühl.«
Schon wollte sie fortgehen, doch er hielt sie mit sanfter Hand zurück. »Wenn ich Euch irgendwie helfen kann ...«
Und da verließen Katharina einfach sämtliche Kräfte. Sie senkte den Kopf. »Der Tote«, flüsterte sie, »war mein Bruder.« Es erfüllte sie mit unendlicher Erleichterung, sich jemanden anzuvertrauen, und als sie in Sterners Augen erst Erschrecken und dann tiefes Mitleid aufblitzen sah, da hätte sie am liebsten geweint.
Er brauchte einen Augenblick, um eine passende Antwort zu finden. »Wenn ich Euch irgendwie helfen kann«, wiederholte er, und setzte hinzu: »Vielleicht braucht Ihr Unterstützung, wenn die Büttel kommen, um Euch zu verhören?«
Alarmiert schaute sie zu ihm auf und wich einen Schritt vor ihm zurück. Wie konnte er von der Hexereianklage wissen? »Warum sollten die Büttel mich verhören wollen?«
»Der Tote war Euer Bruder.« Irritiert sah er sie an, beinahe einbisschen misstrauisch. Und da fiel ihr wieder ein, dass er der Handlanger des Stadtrates war. Wie hatte sie nur so dumm sein können, ihm gegenüber ihre sorgfältig aufgebaute Tarnung aufzugeben?
Mit einer abwehrenden Handbewegung scheuchte sie alle beängstigenden Gedanken fort. Sie konnte sich jetzt nicht damit beschäftigen, die Spinnweben hinderten sie daran.
»Ich muss mich hinlegen«, murmelte sie mit schwerer Zunge.
Dann ließ sie Sterner einfach stehen.
Kaum hatte Johannes das Klostertor hinter dieser Frau und Sterner verschlossen, als er auch schon mit weit aufgerissenen
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