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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde ...
    »... unseres Todes!« Die letzten beiden Worte schrie er heraus. Dann prallte er mit der Schulter gegen den Türrahmen.
    Hände griffen nach ihm, hielten ihn aufrecht, so dass sich jede Einzelheit in seinen Geist brennen konnte.
    Der rote Streifen an der Wand: Blut. Frisches Blut. Der Mann darunter: die Beine verdreht und gespreizt, als habe er weglaufen wollen und sei mitten in der Bewegung niedergestreckt worden. Ein tiefer Schnitt in seiner Kehle, und dann dieser Ausdruck auf dem Gesicht des Toten. Die Augen so weit aufgerissen, dass sie aus den Höhlen quollen, der Mund ein riesiges Loch.
    »Da ist noch einer!«
    Johannes wollte den Kopf wenden, doch es ging nicht. Tief holte er Luft, und das half ihm, seine Selbstbeherrschung zurückzuerlangen.
    Auf einem der Betten rechts von dem Toten lag ein zweiter, ähnlich zugerichtet wie der erste. Diesem war der Tod nicht in die Kehle, sondern in den Leib gefahren und hatte ihn aufgeschlitzt. Noch im Sterben waren seine Hände auf die Wunde gepresst, und zwischen all dem düsteren Rot sah seine Haut milchweiß und rein aus.
    Johannes stützte sich auf die Hände, die ihn hielten. Er sog so viel Luft in die Lungen, wie er konnte, und die Vorstellung, dass er etwas einatmete, was die Sterbenden in ihren letzten Zügen von sich gegeben hatten, ließ ihn würgen. Dann machte er sich los. Ging ein paar Schritte in den Gästetrakt hinein.
    Zu viert waren sie gewesen.
    Er sah sich suchend um.
    Der dritte Tote lag hinter einem der schmalen Betten, halb unter dem herabgerissenen Laken verborgen, in das er sich verkrallt hatte. Das weiße Leinen verdeckte gnädig seine Wunden, nur ein feiner Sprühregen, der darauf niedergegangen war und es mit unzähligen roten Punkten benetzt hatte, sprach eine deutliche Sprache.
    Johannes drehte sich einmal um die eigene Achse. Vier Mann. Wo ...?
    Der Anblick all des Blutes, das gegen die Wände und die Decke gespritzt war, das Kissen und Decken durchtränkte und den Fußboden bedeckte, ließ ihn aufstöhnen. Er zwang sich zur Besonnenheit.
    Vier Männer ...
    Die Mönche auf dem Gang waren in stummem Entsetzen erstarrt. Alles, was Johannes hören konnte, war das leise Schluchzen eines der Jüngeren. Guillelmus, vermutete er.
    »Scht!«, machte jemand. Guillelmus verstummte.
    Es wurde still. So grauenvoll still, dass man das leise Geräusch hören konnte, mit dem Blutstropfen um Blutstropfen aus der Leiche des zweiten Inquisitors auf den Boden auftraf.
    In diesem Moment erklang eine Stimme.
    »Nun geschah es eines Tages, da kamen die Gottessöhne, um vor den Herrn hinzutreten. Unter ihnen kam auch der Satan.«
    »O mein Gott«, wimmerte jemand. »Das ist aus dem Buch Hiob!«
    Johannes hatte die Worte längst selbst erkannt. Er schob die Zunge zwischen die Zähne und biss darauf. Der Schmerz wappnete ihn. Dann hob er die Fackel höher, die er beim Anblick all der Gräuel hatte sinken lassen, und leuchtete in den Winkel hinter dem letzten Bett.
    Ein bleiches, schweißüberströmtes Gesicht starrte zu ihm auf. Dunkle Augen flackerten in unheimlichem Feuer, und aufgesprungene Lippen formten Wort um Wort, von denen keines mehr zu verstehen war. Der vierte Inquisitor war am Leben. Jetzt richtete er sich auf, bis er vor Johannes kniete, die Arme in die Höhe gereckt, den Kopf in den Nacken geworfen. Als sein Blick den des Infirmarius traf, ließ er die Rechte sinken.
    In ihr lag der Griff eines blutigen Messers, und noch während derMann Johannes mit verzerrtem Gesicht anstarrte, wich das Feuer aus seinen Augen. Er verkrampfte die Hände zu Fäusten. Dann brach er leblos zusammen.
    Die Messerklinge traf klirrend auf dem Boden auf.
    Plötzlich war jemand neben Johannes. Der Prior.
    »Was ist das für ein Wahn?«, flüsterte er. »Was bringt einen Mann dazu, so etwas zu tun?«
    Das Wort Wahn brachte Unruhe in die Menge der Mönche vor der Tür. Johannes konnte hören, wie Füße zu scharren begannen. Jemand flüsterte: »Der Teufel! Er muss besessen sein, nicht wahr, Bruder Infirmarius?«
    Er schüttelte den Kopf. Es fiel ihm schwer; sein gesamter Körper fühlte sich an, als sei er von einer grässlichen Lähmung befallen worden. Zweimal musste er schlucken, bevor er eine Antwort geben konnte. »Nicht jeder Wahn wird von Dämonen ausgelöst.«
    »Sondern?« Prior Claudius sah ihn fragend an.
    Er betrachtete seine eigene Hand. Der Schweiß, den er sich kurz nach dem Aufwachen abgewischt hatte,

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