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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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gegenüber habt fallen lassen, all das Gerede davon, die Anstrengungen bei der Verfolgung von Hexen zu verstärken. Es kommt mir so ... verzeiht, aber es kommt mir widersprüchlich vor!«
    Prior Claudius verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die Johannes nicht zu deuten wusste. »Widersprüchlich!«
    Mehr sagte er nicht.
    Johannes spürte, dass der Prior einen inneren Konflikt ausfocht, und entschied sich, nicht weiter in ihn zu dringen. Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück. Kaum hatten sie den Nordhof des Klosters betreten, verabschiedete sich der Prior von Johannes mit den Worten, er müsse nun ausgiebig im Hexenhammer lesen.
    Im selben Moment kam Guillelmus aus einem der Nebengebäude gehastet.
    »Bruder Infirmarius!«, rief er schon von weitem. »Gut, dass Ihr wieder da seid!«
    Johannes unterdrückte den Drang, die Latrine aufzusuchen. »Was ist denn?«
    Der Famulus gestikulierte in Richtung Krankenstube. »Der Inquisitor, Bruder Infirmarius! Er scheint aufzuwachen! Er ...«
    Ohne Guillelmus ausreden zu lassen, schürzte Johannes sein Gewand und rannte los. Die Tür zum Infirmarium krachte gegen die Wand, als er in den Raum stürzte und dort wie angewurzelt stehenblieb.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fuhr er Guillelmus an, als der endlich nachgekommen war. Er wies auf das Bett des Inquisitors. Der Mann lag genauso ruhig dort wie schon die ganze Zeit.
    »Ich wollte es Euch ja sagen, aber Ihr habt mich nicht ausreden lassen«, keuchte Guillelmus. »Vorhin war er kurz wach. Ich habe mit ihm gesprochen, aber dann ist er wieder bewusstlos geworden.«
    Johannes trat näher an das Bett. »Tut mir leid«, sagte er in Guillelmus’ Richtung. »Ich wollte dich nicht anfahren.«
    Der junge Mönch antwortete nicht. »Seht doch!«, rief er.
    Die Lider des Inquisitors hatten begonnen zu flattern. Rasch trat Johannes dicht vor sein Bett hin und beugte sich über ihn. Zwischen den Lidern kamen verdrehte weiße Augäpfel zum Vorschein, aber bevor Johannes sich enttäuscht aufrichten konnte, kehrte der Kranke den Blick nach vorn. Es sah unheimlich aus, wie sich seine Augen in ihren Höhlen bewegten, und Johannes bekreuzigte sich eilig.
    »Könnt Ihr mich hören?«, fragte er.
    Der Inquisitor öffnete die Lippen, brachte jedoch keinen Ton hervor.
    »Wasser!«, befahl Johannes.
    Guillelmus goss aus einem irdenen Krug einen Becher voll und reichte ihn Johannes. Der hielt ihn dem Inquisitor an den Mund. Ein paar Tropfen benetzten die trockenen Lippen des Mannes. Der schluckte, dann hustete er. Ein ekelhafter muffiger Luftschwall drang aus seinem Mund.
    Johannes atmete flach. »Bruder Markus!«, sagte er. »Wisst Ihr, wo Ihr seid?«
    Der Inquisitor heftete den Blick auf sein Gesicht. Seine Augen wirkten leer und blöde, ohne Leben.
    »Ihr seid in Nürnberg!«, mühte Johannes sich weiter, ihn zur Besinnung zu bringen.
    Jetzt versuchte Bruder Markus, sich zu bewegen, aber natürlich hielten ihn noch immer die Gurte. Sein Kopf hob sich, und er schaute an sich herab auf das Laken, das ihn bis zur Brust bedeckte. »Warum ...?«, stammelte er.
    »Wir haben Euch festgebunden. Es geschah zu Eurem eigenen Schutz!«, beeilte sich Johannes zu versichern. »Ihr wart rasend. Erinnert Ihr Euch nicht?«
    Bruder Markus glotzte ihn nur an. »Stimmen«, ächzte er dann. »... in meinem Kopf.«
    »Stimmen?« Johannes runzelte die Stirn.
    »Stimmen ... unheimliche Stimm...« Bruder Markus warf den Kopf zurück ins Kissen und heulte auf. »Bindet mich los! Auf der Stelle!« Er riss an seinen Fesseln, dann beruhigte er sich. »Ihr seid besessen!«, flüsterte er. »Ihr seid vom Teufel besessen! Ganz Nürnberg ist verhext!« Und wieder begann er zu schreien. »Ich will hier raus!«
    Johannes’ Magen drehte sich um. Nur unter Aufbietung all seiner Willenskraft schaffte er es, sich nicht in die Gewänder zu urinieren. Jemand packte ihn an den Schultern, und er schrie erschrocken auf. Undeutlich nur sah er, dass nun mehrere Menschen im Raum waren. Er hörte Prior Claudius’ besonnene Stimme: »Beruhigt Euch doch! Bruder Inquisitor, ganz ruhig!«
    Und er hörte Bruder Aurelius, der auf ihn selbst einredete und ihn schließlich auf den Gang hinausführte. Dort endlich erwachte er aus seiner Starre. »Bei Gott«, flüsterte er. »Heilige Maria, Mutter Gottes!«
    »Beruhigt Euch!« Bruder Aurelius geleitete ihn in einen der Kreuzgänge. Eine Weile gingen sie einfach nur schweigend zwischen den Gräbern der verstorbenen Mitbrüder hin und her.
    »Ich

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