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Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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Ludwig genannt – hämmerte mit der Faust gegen die Tür. »Aufmachen, Herr Lochwirt! Wir haben einen neuen Gast für Euch!«
    »Ich komme!«, hörte Katharina Sebald von drinnen rufen, und gleich darauf wurde die Tür geöffnet. Sein Blick wanderte vom Gesicht des Büttels in Katharinas.
    »Kath...« Der Rest ihres Namens kam nur als tonloses Krächzen über Sebalds Lippen. »Was soll ...«
    Ludwig fiel ihm mitten ins Wort. »Diese Frau wurde von einem Nürnberger Bürger angezeigt, der Zauberei verdächtig zu sein. Der Rat der Stadt weist Euch an, sie unter Eurem Dach zu beherbergen, bis Recht über sie gesprochen wurde.« Es klang wie eine auswendig gelernte Formel.
    Katharina schaute Sebald in das entsetzte Gesicht. Sie wollte etwas sagen, aber ihr fiel nichts Passendes ein. Ich bin unschuldig! , klänge falsch und verlogen, denn natürlich war sie alles andere als das.
    »Das ... das ist unmöglich«, stammelte Sebald. Seine Hand krallte sich um die Türkante, und der Nagel seines Daumens, der im Licht der Laternen bläulich-schwarz glänzte, bohrte sich in die Maserung des Holzes.
    »Kennt Ihr diese Frau?«, fragte der strubbelige Büttel, und in seiner Stimme schwang Misstrauen mit.
    »Sie ist ...« Sebald räusperte sich. Katharina konnte ihm ansehen, wie verzweifelt er nachdachte. »Ich kenne ihre Mutter«, erklärte er schließlich.
    »Nun, der Rat hat Euch für vertrauenswürdig gehalten und vereidigt. Wir können also davon ausgehen, dass diese Frau hier in Eurer Obhut sicher ist?« Es war eine scharf gestellte Frage.
    Hastig nickte Sebald. »Natürlich! Natürlich!« Seine Blicke irrten umher, und soweit Katharina es erkennen konnte, war er jetzt sehr blass.
    »Wer ist denn da?«, erscholl Sigrids Stimme aus der Tiefe der Wohnung.
    »Nur ...« Sebald musste ein zweites Mal ansetzen. »Nur ein neuerGefangener, Mutter. Geh ruhig ins Bett, ich komme gleich wieder, um nach dir zu sehen.«
    Katharina hörte Sigrid etwas vor sich hinmurmeln. Sebald machte Anstalten, seine Wohnungstür gänzlich zu öffnen, aber Ludwig warf einen vielsagenden Blick auf den gegenüberliegenden Treppenabgang.
    Sebald schluckte. Dann nickte er, hakte den Schlüsselbund von seinem Gürtel ab und wies über die Gasse auf den eigentlichen Eingang des Lochgefängnisses. »Kommt.« Er drängte sich an den beiden Bütteln vorbei und sorgte dafür, dass er Katharina ganz kurz am Arm berühren konnte.
    Bei dieser freundschaftlichen Geste schossen ihr Tränen in die Augen.
    Das Schloss der Verliestür war ähnlich gut geölt wie alle anderen, um die Sebald sich zu kümmern hatte. Beinahe lautlos schwang die Tür auf.
    Sebald nahm eine der Laternen von ihrem Haken und leuchtete in die Tiefe. »Pass auf«, warnte er Katharina und ging als erster nach unten. »Die Treppe macht eine Biegung, und dort ist die Decke ziemlich niedrig.«
    Ludwig folgte Sebald, dann betrat Katharina die oberste Stufe. Der zweite Büttel machte den Abschluss.
    In der Biegung der Treppe war die Decke tatsächlich ziemlich niedrig, und Katharina bückte sich unter einem steinernen Bogen hindurch. Dann waren sie unten. Die Luft roch feucht und klamm, nach Urin und Kot und Verzweiflung.
    Katharina blieb die Luft weg. Die Angst schlug über ihr zusammen, nahm sie in ihren Griff und vertrieb, ähnlich wie die melancholia , jeden klaren Gedanken aus ihrem Kopf. Sie mühte sich durchzuatmen, aber alles, wozu sie fähig war, waren kurze, qualvolle Atemzüge. Ihr war schwindelig. Ihre Umgebung erstarrte in einer unerträglichen Langsamkeit, als befinde sie sich in einem Traum. Die Schritte der Büttel, das Fallen einzelner Wassertropfen, das Zuschlagen der Türen, die sich zwischen ihr und der Freiheit schlossen, jedes einzelne Geräusch klang in ihren Ohren wie ein Paukenschlag.
    Sebald führte sie an einer Reihe von Zellentüren vorbei, aus massivem schwarzem Holz die meisten. Nur eine ähnelte eher einemGitter, das sich von Wand zu Wand zog und den Blick in eine Zelle freigab, die zweigeteilt war. Ein halber Torbogen überspannte den Durchgang und verschwand in der Wand, als sei seine andere Hälfte vor vielen Jahrzehnten zugemauert worden.
    Katharina schloss die Augen.
    Sebald führte sie um eine Ecke und tiefer in das Lochgefängnis hinein. Talglichter brannten in kleinen Nischen und rußten still vor sich hin. Es folgte eine weitere Kehre. Der Gang schien jetzt genau unter der Lochgasse entlangzuführen, denn in seiner Decke konnte Katharina die buckeligen Gitter

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