Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seraphim

Seraphim

Titel: Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
Vom Netzwerk:
habe getan, was Ihr mir als Buße aufgetragen habt!«, jammerte Johannes mit Tränen in den Augen. Durch den Schleier hindurch schienen die Säulen des Kreuzganges zu schwanken. Mit klopfendem Herzen sah Johannes sich um. Hockten irgendwo in den Winkeln Teufel?
    Aurelius’ Stimme war ganz sanft, als er sagte: »Davon bin ich überzeugt, Bruder.«
    »Mein Bruder Hartmann kümmert sich um ... um alles. Er hat Zugang zu den nötigen Stellen im Rat. Und bei den Bütteln. Ich habe die Zeit genutzt. Habe durch harte Arbeit Buße getan. Habe die Nächte hindurch auf den Knien gebetet.« Die Sätze kamen abgehackt aus Johannes’ Mund.
    »Beruhigt Euch doch!« Aurelius zwang Johannes stehenzubleiben. Er blickte ihm forschend ins Gesicht, dann hieß er ihn, sich auf dem Mauervorsprung niederzulassen, der den Kreuzgang von den Gräbern in der Mitte abgrenzte.
    Johannes knetete seine Hände. »Der Bruder Inquisitor glaubt auch, dass ...« Seine Stimme versagte, und er musste neu ansetzen. »... Hexenwerk, Bruder!«
    »Der Inquisitor ist nicht bei Sinnen! Und Ihr und ich, Johannes, wir wissen beide, dass es kein Dämon war, der diesen Röhrenmeister getötet hat.«
    »Natürlich, aber die Däm...« Johannes schlug sich auf den Mund. »Ich mache mir solche Vorwürfe! Die Ereignisse damals in Padua – es ist alles meine Schuld, Bruder Aurelius!«
    »Und Ihr habt dafür längst Buße getan. Gott hat Euch vergeben, Johannes. Nun müsst Ihr selbst es auch tun.«
    »Wie kann ich das, wenn hier in Nürnberg ... Gottes Strafe ...« Er brach ab und sprang auf die Füße. »Was soll ich nur tun, Pater?« Wie in der Beichte sprach er Aurelius jetzt in Ehrfurcht an.
    »Sammelt Eure Kräfte. Ihr seid ein Mann der Kirche. Es ist nicht an Euch, in dieser Angelegenheit das Schwert zu führen. Aber Ihr könnt dafür sorgen, dass andere es tun. Euer Bruder ...« Er hielt inne, weil Guillelmus im Kreuzgang erschien. Der junge Famulus beachtete sie jedoch nicht, sondern eilte die Treppe zum Refektorium hinauf und verschwand darin.
    Mit Mühe bezwang Johannes seine Angst. »Er weiß, was zu tun ist. Er hat mir gesagt, er entscheidet, was das Beste ist.« Er begann, zwischen den Grabsteinen umherzuwandern.
    Aurelius folgte ihm. Er schien nicht überzeugt. »Ebenso wie Ihr hat er eine große Schuld auf sich geladen, damals in Padua, als er zuließ,dass dieser Mord geschah. Ich sehe die Gefahr, dass er versucht, die Augen vor dieser Schuld zu verschließen.«
    »Ihr meint ...«
    »Der Mensch ist schwach, Johannes. In manchen Situationen erstarrt er einfach in Nichtstun. Wenn es zu schmerzhaft ist, sich mit der Wahrheit auseinanderzusetzen.«
    »Aber wenn es so ist, wie Ihr sagt: Wie kann ich dann ...«
    Aurelius sah Johannes ins Gesicht. »Wenn Ihr möchtet, gehe ich mit Euch zusammen zu Eurem Bruder und rede ihm ins Gewissen. Er muss dafür sorgen, dass die Morde von Padua sich hier nicht wiederholen.«
    Johannes stützte die Hände auf einem der ältesten Grabsteine ab. Die Inschrift darauf war kaum noch zu entziffern, nur das eingravierte Kreuz hatte Wind und Wetter getrotzt. In seinem Querbalken wuchs grünes Moos, und Johannes sah einen kleinen Marienkäfer darin herumkrabbeln. Er nahm es als gutes Zeichen. Mit einem raschen Blick zwischen die Schatten der Säulen vergewisserte er sich, dass seine Teufel nicht da waren. »Der Mord. In Padua gab es nur einen einzigen Mord. Damals waren wir nicht so verzagt.« In Gedanken kehrte er in die Vergangenheit zurück. Dann nickte er entschlossen. »Ich gehe zu Prior Claudius und bitte ihn um Ausgang für uns beide.«
    Aurelius lächelte ihn sanft an. »Tut das.«
    In diesem Moment begann die Kirchenglocke zu läuten. Es war Zeit für die Messe der Vesper.
    * * *
    Die Büttel waren alte Bekannte. Sie führten Katharina aus dem Rathaus hinaus, um seine Längsseite herum und hinein in die schmale Gasse daneben.
    Die Lochgasse.
    Katharina sah, wie Richard Sterner ihnen nacheilte, wie er am Beginn der Gasse stehenblieb und ihr fassungslos hinterherblickte. Sie sog seinen Anblick in sich auf, als sei er das Letzte, was sie in ihrem Leben zu Gesicht bekommen würde.
    Gegenüber von Sebalds Wohnungstür, direkt am Abgang ins Gefängnis, brannten trotz der frühen Abendstunde bereits zwei Laternen und warfen den Schatten des Klingelzuges als langgezogenendoppelten Strich auf die Hauswand. Der Büttel mit den schiefen Zähnen – Ludwig , schoss es Katharina durch den Kopf, im Ziegenstall hat ihn sein Gefährte

Weitere Kostenlose Bücher