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Serenade für Nadja

Serenade für Nadja

Titel: Serenade für Nadja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zülfü Livanelli
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auch sagen muss, dass die dünnste Akte ausgerechnet die Ihre ist.«
    »Warum das?«
    »Weil anscheinend der Geheimdienst die meisten Dokumente beschlagnahmt hat. Nur zwei sind übriggeblieben.«
    »Und was für welche?«
    »Das eine Papier belegt Ihre Ausweisung und das andere, dass Herbert Scurla über Sie Erkundigungen eingezogen hat.«
    »Scurla?«
    »Ja.«
    Der Professor sah nachdenklich vor sich hin, dann sagte er: »Fahren wir ins Hotel. Ich habe Ihnen viel zu erzählen. Es wird eine lange Nacht.«

13
    Auf der Fahrt ins Hotel nahm ich den Geigenkoffer vom Vordersitz und reichte ihn dem Professor.
    »Wir haben sie gefunden.«
    Der Professor strahlte kurz auf, doch beim Anblick des Geigenkoffers, der klobiger war als der seine, verdüsterte sich seine Miene gleich wieder.
    »Keine Angst«, sagte ich, »da ist schon Ihre Geige drin.«
    Er öffnete den Kasten und sah das Instrument liebevoll an. Währenddessen erzählte ich ihm, wie wir ihn vom Strand zum Auto gezogen und den Geigenkoffer dabei vergessen hatten. Süleymans Boshaftigkeiten erwähnte ich nicht.
    Er nahm die Geige aus dem Kasten und legte sie sich sorgsam auf den Schoß.
    »Ich habe an dem Tag auch Sie in Gefahr gebracht«, sagte er. »Was genau geschehen ist, weiß ich allerdings nicht mehr.«
    »Herr Professor, würden Sie mir jetzt bitte erzählen, wer diese Nadja ist?«
    »Das tue ich gern, aber unter einer Bedingung.«
    »Nämlich?«
    »Dass Sie nicht mehr Professor zu mir sagen, sondern Maximilian oder einfach Max.«
    »Ich muss Ihnen auch einiges erzählen, Max.«
    Ihn so zu nennen, kam mir seltsam vor. Als wir im Pera Palace ankamen, sagte ich zu İlyas, er brauche nicht zu warten, da es länger dauern könne.
    Lobby und Bar waren voller Leute. Wo es einst von Spionen gewimmelt hatte, saßen nun wohlhabende Istanbuler, die historische Atmosphäre schnuppern wollten, und Ausländer voller Sehnsucht nach den Zeiten des Orientexpress.
    Unterwegs hatte Max mich zum Essen eingeladen, was ich schon erwartet hatte. Bevor er in sein Zimmer hinaufging, überreichte ich ihm das Geschenk, das ich für ihn gekauft hatte.
    »Zur Erinnerung an Istanbul.«
    Errötend dankte er mir und wandte sich zum Fahrstuhl um.
    Ich setzte mich an ein Tischchen in der Bar und bestellte einen weißen Portwein. Für das Abendessen bat ich den Kellner, uns einen ruhigen Tisch zu reservieren. Endlich würde ich erfahren, was es mit Max und Nadja auf sich hatte, warum wir nach Şile gefahren waren, warum so viele Geheimdienste sich für Max interessierten und warum man ihn damals ausgewiesen hatte.
    Viel zu schnell war mein Glas leer, und ich bestellte noch einen Portwein, so dass ich schon beinahe beschwipst war, bevor Max zurückkam.
    Als er die Bar betrat, drehten sich mehrere Leute nach ihm um. Zum weißen Hemd und dem grauen Sakko stand ihm das blaue Halstuch ausnehmend gut.
    »Vielen Dank für Ihr Geschenk, Maya. Ich werde es in Boston jeden Tag tragen und dabei immer an Sie denken.«
    Wir wechselten über ins Restaurant, wo wir einen schön abgelegenen Tisch bekamen. Es standen an dem Tag auch osmanische Gerichte auf der Speisekarte, und so bestellten wir Artischocken in Öl und Lamm mit Auberginenpüree.
    Max wirkte angespannt, was aber nicht verwunderlich war, wo er sich doch anschickte, eine Geschichte zu erzählen, die er über Jahre hinweg für sich behalten hatte.
    »Heute vor einer Woche wusste ich weder über Sie Bescheid noch über Ihre Freunde«, sagte ich.
    »Da hatten Sie es geruhsamer. Ich habe Ihnen eine Menge Ärger eingebrockt.«
    »Ach was, Sie haben mir neue Horizonte eröffnet.«
    Diese Antwort quittierte er mit einem leichten Stirnrunzeln.
    »In einem der Texte, die ich gelesen habe«, sagte ich, »wird Hitler von einem türkischen Studenten gedankt.«
    »Wie das?«
    »Wäre Hitler nicht gewesen, so der Student, dann wären niemals so hochqualifizierte Lehrkräfte in die Türkei gekommen und ein Studium wie das seine nicht möglich gewesen. Er soll ein Student Erich Auerbachs gewesen sein.«
    »Dann durfte er von Glück reden, denn Auerbach war wirklich ein herausragender Wissenschaftler. Vermutlich haben Sie Mimesis gelesen, das Werk, das er in Istanbul geschrieben hat.«
    »Leider nicht, Herr Professor. Entschuldigung: Max.«
    »Aber Sie haben doch an derselben Universität Literatur studiert, wie konnte Ihnen da so ein Meisterwerk entgehen?«
    »In den letzten Tagen bin ich ein paarmal auf diesen Titel gestoßen. Ins Türkische ist das Buch aber

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