Serenade für Nadja
doch ihr Kind hatte sie verloren. Durch das Eingreifen von Papens war sie freigekommen. Mit dem Taufschein ausgestattet war sie schließlich in ihre Heimat Rumänien geschickt worden.
Tagelang schwamm er im Glück und ließ sich auch dadurch nicht betrüben, dass er über Nadja nichts anderes mehr erfuhr. Sie war frei, was wollte er mehr? Und sie konnte belegen, dass sie Christin war.
Am liebsten wäre er auf der Stelle nach Rumänien gereist, doch war das nicht ratsam. Das Land war von den Nazis beherrscht, bei denen er auf der Liste der Feinde stand. Wäre er hingefahren, hätte er damit Nadja nicht genützt.
Aber es ging etwas voran. Eines Abends kam so viel Freude in ihm auf, dass er die Geige hervorholte und vor einem Foto von Nadja zum ersten Mal seit langem wieder die Serenade spielte. Als er fertig war, schien ihm die Frau auf dem Bild noch herzlicher zu lächeln als zuvor. Darauf spielte er das Stück noch ein Mal und sah Nadja dabei in die Augen.
Da klopfte es an der Tür. Er legte die Geige auf ein Tischchen und öffnete. Es waren die Nachbarn von unten, das nette Ehepaar Arditi, sephardische Juden, deren Vorfahren vor fünfhundert Jahren von der Iberischen Halbinsel nach Istanbul gezogen waren.
»Wir haben gemerkt, dass die Musik von hier kommt«, sagte Matilda Arditi verlegen lächelnd. »Wir würden gern ein wenig zuhören.«
Maximilian verneigte sich und bat die beiden in die Wohnung. Als sie saßen, nahm er die Geige und spielte nochmals die Serenade.
Danach erzählte er ihnen die Hintergründe, und was mit Nadja geschehen war. Rober Arditi bat Maximilian daraufhin, das Stücknoch einmal zu spielen. Während das geschah, vergoss das Ehepaar Tränen.
Rober Arditi erhob sich danach schwerfällig und ging hinaus. Mit seiner Frau begann Maximilian ein herzliches Gespräch. Sie versicherte ihm: Wenn Nadja erst mal in Istanbul sei, werde das Paar sich um sie kümmern und ihr die Stadt zeigen, damit sie sich so bald wie möglich heimisch fühle.
Da kam ihr Mann mit einer Flasche Rotwein zurück, die er aus seiner Wohnung geholt hatte. Gemeinsam tranken sie auf Nadjas Wohl.
Die Arditis waren recht zuversichtlich, dass Nadja in Rumänien aufzufinden sei. Rober bot Maximilian auch gleich seine Mithilfe dabei an. Er verfügte in Rumänien über einige Handelsbeziehungen, die dabei nützlich sein konnten. Doch wo sollten sie anfangen zu suchen?
Maximilian gab ihm alle Informationen, an die er bisher gelangt war. Dann bat sein Nachbar ihn um Stift und Papier, machte sich erste Notizen und fragte ihn nach den Vornamen von Nadjas Eltern, nach der Ortschaft, aus der sie stammten, und nach etwaigen Verwandten. Maximilian gab ihm Auskunft und erzählte auch Dinge, nach denen der Mann nicht fragte, nämlich wie die Eltern Nadjas von den Nazis umgebracht worden waren.
Von nun saß Maximilian oft mit seinen Nachbarn zusammen, und das tat ihm sehr gut. Rober Arditi erstattete ihm immer wieder Bericht über seine Bemühungen und schilderte auch das, was nicht geklappt hatte, mit viel Humor. Er war ein zugleich teilnahmsvoller und fröhlicher Mensch.
Eines Tages hastete Rober Arditi die Treppe hinauf und klopfte ganz außer Atem bei Maximilian an. Seit jenem Abend, an dem sie Wein getrunken und der Serenade gelauscht hatten, waren knapp zwei Monate vergangen. Als Maximilian die Tür öffnete, platzte sein Nachbar sofort mit der Nachricht heraus, Nadja sei gefunden worden.
Soweit er in Erfahrung gebracht hatte, war sie in ihren Heimatort gefahren und arbeitete nun bei einem Schneider, der mit ihrem Vater befreundet gewesen war. Sie war aber nach wie vorin Gefahr und musste so schnell wie möglich aus Rumänien herausgeholt werden.
Sie beschlossen, dass Maximilian Nadja einen Brief schreiben und alles Geld, das er angespart hatte, zusammensammeln solle. Über Rober Arditis Gewährsmänner würden sie die Sendung Nadja zukommen lassen, die dann mit Hilfe von Geld, Taufschein und einigen Bekannten Arditis nach Istanbul gelangen konnte.
Einen Monat später wurde aus Rumänien gemeldet, Nadja habe den Brief und das Geld bekommen und werde sich in der Hafenstadt Konstanza nach Istanbul einschiffen.
Als Maximilian das erfuhr, waren es noch fünf Tage bis zu ihrer Abfahrt. Die zwei Tage Reisezeit mitgerechnet, würde Nadja spätestens in einer Woche in Istanbul sein, in Maximilians Wohnung, in seinem Bett.
Matilda Arditi bot an, zu Ehren ihrer Ankunft die Wohnung Maximilians herauszuputzen und eine kleine Feier zu
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