Serenade für Nadja
das Osmanische Heer unter deutscher Leitung stand, kennengelernt hatte. Eine hohe Meinung hatte Atatürk dagegen von Monsignore Roncalli.
Nach Atatürks Tod wurde von Papen dann doch als Botschafter nach Ankara entsandt. Es war damals Hitlers dringender Wunsch, die Türkei von einem Kriegseintritt auf französischer und britischer Seite abzuhalten, oder sie dazu zu bewegen, gemeinsam mit Deutschland die Sowjetunion anzugreifen. Zudem hatte Papen den Auftrag, gute Beziehungen zu den arabischen Ländern herzustellen.
Und dennoch sollten Roncalli und von Papen bei der Rettung von Juden zusammengearbeitet haben. Es hieß, gemeinsam hätten sie 24 000 Juden das Leben gerettet.
Maximilian begriff einfach nicht, warum der Gesandte Hitlers das tat, doch aus verschiedenen Quellen wurde ihm versichert, dass es sich tatsächlich so verhalte.
Nach dem Krieg wurde von Papen bei den Nürnberger Prozessen freigesprochen. Roncalli hatte zu seinen Gunsten ausgesagt.
Als Maximilian schließlich bei Roncalli einen Termin bekam, ging er in das imposante Gebäude in der Ölçek-Straße in Harbiye, in dem der Monsignore residierte. Roncalli, ganz in Weiß gekleidet, war ein mittelgroßer, rundgesichtiger Mann von südeuropäischem Aussehen. Mit seiner sanften Art und dem menschlichen Blick nahm er einen sofort für sich ein.
Maximilian erzählte ihm seine Geschichte und sagte dann: »Meine Frau bringt bald ein Kind zur Welt, und ich weiß nicht, unter welchen Bedingungen sie jetzt lebt, ja nicht einmal, ob sie überhaupt noch lebt. Ich flehe Sie an, bitte helfen Sie mir, im Namen Gottes, im Namen Jesu, im Namen der Muttergottes. Ich verliere noch den Verstand.«
Roncalli nahm Maximilian bei der Hand.
»Ich verstehe dich, mein Sohn. Ich begreife deinen Schmerz, und ich werde für dich tun, was in meiner Macht steht.«
Leise setzte er dann hinzu, dass er über nach Europa reisende Ordensbrüder, Dolmetscher und Kaufleute dort lebenden Juden Taufscheine zukommen ließ, mit deren Hilfe sie sich retten konnten.
Es hielt Maximilian nicht mehr auf seinem Platz. Er musste aufstehen, herumgehen, dann setzte er sich wieder, sah dem Monsignore tief in die Augen, berührte seine Hand und schoss auch schon wieder hoch.
Wessen Taufe vom Vatikan beglaubigt war, an dessen Katholizismus ließ sich nicht zweifeln.
»Zwei Voraussetzungen müssen aber erfüllt sein«, sagte Roncalli. »Als Erstes müssen Sie herausfinden, wo Ihre Frau sich aufhält. Und Sie müssen auch selbst dafür sorgen, dass der Taufschein bis zu ihr gelangt. Das kann ich nämlich beides nicht machen. Und dann muss Ihre Frau natürlich auch noch einverstanden sein.«
»Wie meinen Sie das? Warum sollte sie nicht einverstanden sein?«
»Manche Juden würden lieber sterben, als sich mit einem Taufschein zu versehen.«
»Da gibt es bei Nadja nichts zu befürchten. Sie ist eine sehr vernünftige Frau und denkt an ihr Kind und an mich. Sie können mir also einen Taufschein beschaffen? Dann finde ich Nadja bestimmt.«
»Das alles muss aber unbedingt geheim bleiben. Sonst gerät das Leben von Tausenden von Menschen in Gefahr.«
Maximilian schwor, dass er niemandem davon erzählen würde.Dann gingen sie gemeinsam in das Untergeschoss des Gebäudes, wo Roncalli einigen Mitarbeitern Anweisungen gab. Sie fragten Maximilian nach Nadjas Personalien und machten sich sogleich daran, den Taufschein anzufertigen.
Als Maximilian sich verabschiedete, fasste er Roncalli am Arm und sagte: »Wahrscheinlich verlange ich jetzt zu viel, aber könnten Sie nicht von Papen bitten, dass er meine Frau ausfindig macht?«
»Das kann ich leider nicht, mein Sohn. Möge Gott dir beistehen.«
Maximilian nickte verständnisvoll. Mit einer Verneigung nahm er Abschied. Ohne zu wissen, was aus Roncalli einmal werden würde, dachte er: »Der Mann ist ein Heiliger«.
Jetzt bestand zumindest wieder Hoffnung. Er hatte einen Taufschein auf den Namen Katharina in der Tasche und musste Nadja nun unbedingt finden. Nötigenfalls würde er unter falschem Namen wieder nach Deutschland einreisen und sie dort suchen.
Alleine konnte er nichts ausrichten, doch hatte er unter den deutschen Professoren zahlreiche Freunde. Eines Tages spazierte er auf dem Sultanahmet-Platz mit Erich Auerbach, der seit 1935 in der Türkei lebte. Ein besonnener, in sich gekehrter Mann, der allseits große Achtung genoss.
Da Maximilian großes Vertrauen in ihn setzte, bat er ihn um Rat.
Auerbach gab zunächst keine Antwort, sondern ging
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