Serum
um das Labor zu verlassen, dazu reichte es, den Türknopf zu drehen. Der Hubschrauberlärm wurde lauter. Ich knallte eines von Burgoynes Magazinen in das Gewehr. Legte den Sicherungshebel um. Die Waffe fühlte sich leicht an, vertraut. Ich hatte seit Jahren kein Sturmgewehr mehr abgefeuert, aber beim FBI war meine Trefferquote ganz passabel gewesen.
Das lag allerdings vier Jahre zurück.
Ich hätte vielleicht Bedenken, gegen die Soldaten von Van Tries’ Kommando zu kämpfen, aber ich habe keine Hemmungen, Alonzo Otto und seine Halsabschneider abzuknallen.
An der Tür blieb ich stehen, drehte den Knopf, trat die Tür auf und wirbelte mit dem Rücken zur Wand in den Gang.
Leer.
Der Hubschrauberlärm war verstummt. Er ist gelandet.
Nur ein leises, schrilles Trillern erfüllte den Korridor, und ich brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, dass es von meinem Handy kam. Natürlich, Gabrielle kann vom Park aus sehen, was hier vorgeht.
Ich lief zur Überwachungskamera und zertrümmerte sie mit dem Gewehrkolben. Die tresorartige Tür, die das Labor vom Rest des Gebäudes trennte, lag nur drei Meter entfernt. Wenn jemand hereinkommen wollte, würde ich ihr Summen hören.
Mir bleiben noch ein paar Sekunden, um herauszufinden, was Gabrielle sieht.
»Gabrielle!«
»Raus da, Mike! Ihr alle! Ich sehe Soldaten, ein Helikopter ist gelandet.«
»Wie viele?«
»Fünfzehn, zwanzig. Einige sehen aus, als wären sie … verwundet.«
»Sind sie schon im Gebäude?«
»Die regulären Sicherheitskräfte ziehen in ihren Humvees ab. Die neuen Truppen ersetzen sie! Mein Gott. Sie haben schwarz gefärbte Gesichter. Rüstungen. Helme. Sturmgewehre. Irgendwelche eigenartigen Optiken vor ihren Gesichtern …«
Nachtsichtgeräte, dachte ich.
Ich wiederholte: »Sind sie schon im Gebäude?«
»Noch nicht. Sie verteilen sich darum herum. Drei Gruppen. Aber im Moment sind noch alle an der Vorderseite … Bewegen sich vorsichtig … Einer humpelt. Einer hat ein verbundenes Gesicht.«
Das müssen die Männer sein, die heute Morgen in Virginia verletzt worden sind. Ottos Spezialeinheit.
Gabrielle fuhr fort: »Ich sehe einen Zivilisten mit einer Baseballkappe. Mike, du kannst noch entkommen. Lauf zum Zaun! Dir bleiben nur noch ein paar Sekunden, bevor sie alles abgeriegelt haben!«
»Eine Baseballkappe, sagst du?«
»Eine Frau ist bei ihm. Leg den elektrischen Zaun lahm, wie geplant!«
»Die Frau, ist sie blond?«
Gabrielle schrie: »Worauf wartest du denn noch?«
Otto und die Royces. Die Reste von Ludenhorffs Antiterror-Sondereinheit sollen uns stillschweigend den Garaus machen. Sie müssen Hoot erwischt haben. Hoffentlich geht es ihr gut.
Ich blickte den langen Korridor entlang zu den verschlossenen Türen am anderen Ende, die in die Freiheit führten: zur Laderampe und zum Parkplatz, zum Zaun. Gabrielle sagte, dass mir noch ein paar Sekunden blieben. Aber Eisner und Danny steckten irgendwo im Hauptgebäude.
Ottos Strategie war offensichtlich.
Sie werden versuchen, das Labor zu stürmen. Sie wollen alle Zeugen eliminieren. Behaupten, Naturetech sei von Terroristen überfallen worden.
»Mike? Bist du noch da?«
Alle Alarmsirenen im Gebäude schienen auf einmal loszuschrillen und verschmolzen zu einer kreischenden elektronischen Kakophonie.
Ich ging nicht durch die Hintertür zum Zaun, wie Gabrielle vorgeschlagen hatte. Ich nahm die andere Richtung.
Meine Hände waren ruhig. Meine Freunde zurückzulassen, kam nicht in Frage. Anstatt den Wartungsdeckel abzuschrauben und die Drähte durchzuschneiden, wie wir es ursprünglich beabsichtigt hatten, tippte ich 1775 auf dem Tastenfeld ein, wartete, bis das grüne Licht aufflammte, und warf mich dann durch die Tür in die zentrale Rotunde, den Raum, an dem die drei Flügel von Naturetech zusammenliefen.
Alles war leer. Nur der Alarm schrillte. Der Sicherheitsdienst schien tatsächlich abgezogen zu sein.
Der Wachraum lag dreißig Meter entfernt auf der anderen Seite der Lobby, gleich neben dem Haupteingang und der Tür zum A-Flügel. Dort hoffte ich Danny und Eisner zu finden.
Dann war ich plötzlich sicher, dass sie dort waren, denn in Korridor A, gleich hinter der Tür, brach Gewehrfeuer aus.
Es war das Stakkato eines M-16 auf Automatik.
Weder Eisner noch Danny hatten ein Sturmgewehr gehabt.
Möglicherweise hatte man sie gerade erschossen.
24
D
ie Schüsse waren verklungen, und die Lobby lag wieder still und verlassen da. Ich musste wissen, was aus meinen Freunden geworden
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