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Serum

Serum

Titel: Serum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Reiss
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Karteikasten, in dem ich Plastikdisks entdeckte. Die Sicherungskopien.
    Im mittleren Fach lagen Papiere gestapelt.
    Und im untersten standen zugestöpselte Arzneifläschchen mit der Aufschrift »HF-109«. Sie waren voller kleiner blauer Kapseln. Offensichtlich die versandfertige Droge.
    Das Funkgerät an meiner Hemdtasche knisterte. Eisners Stimme hallte im Safe wider, während ich die Festplatten so hinlegte, dass die Öffnungen mit den Kontaktleisten oben lagen – die verwundbaren Stellen, wo die Säure hineinfließen konnte.
    »Mr Acela? Sind Ihre Männer im Labor?«
    Er wollte einen Statusbericht.
    »Noch nicht«, erwiderte ich unwirsch, als wäre ich irritiert, dass es so lang dauerte. Ich schoss ein paar schnelle Fotos vom Inhalt des Safes. Dann kehrte ich zu den Säurebehältern zurück. Burgoyne gab in seiner Ecke gedämpfte Protestlaute von sich. Er war zu weit entfernt, als dass das Funkgerät das Geräusch hätte auffangen können.
    Eisner prahlte: »Captain Van Tries hat einen Ihrer Männer beim Überqueren des Zauns festgenommen. Er wird jetzt hierhergebracht.«
    Was bedeutete: Die Zeit wird knapp. Beeilung!
    »Wollen Sie den Einsatz erhöhen, Eisner?«
    »Zweihundert«, sagte er.
    »Drei«, gab ich zurück.
    Wenn etwas schiefging, lautete der Codesatz: »Die Sache ist gegessen, Partner.« Wenn jemand unverzüglich Hilfe benötigte, hießen die Worte: »Ich lade Sie auf ein Bier ein.« Dann war die Kacke wirklich am Dampfen.
    Und im schlimmsten denkbaren Fall, wenn jeder für sich die Flucht ergreifen musste – wenn einer gefangen oder verletzt war, aber noch funken konnte –, sollte er sagen: »Das kostet Sie einen Bushmills.«
    Das hieß: Hau ab. Sofort. Allein. Nichts wie weg.
    Da Danny »gefangen« war, gab es keine Attacken mehr, aber das Sicherheitsteam würde mit weiteren Versuchen rechnen. Ich schraubte schnell, aber vorsichtig die Kappe des Essigsäurebehälters ab.
    Von den Dämpfen tränten mir die Augen. Eigentlich sollte man einen Laborkittel und dicke Handschuhe tragen, wenn man mit diesem Zeug hantierte, aber ich hatte keine Zeit, danach zu suchen. In dickem Strahl goss ich die Säure in den Messbecher.
    Hustend, weil die Dämpfe meine Lungen reizten, schraubte ich den Deckel wieder zu und griff zur Salzsäure.
    Gurgelnd schoss sie in denselben Messbecher.
    Ich muss die stärkste Mischung nehmen, um alles im Safe zu zerstören.
    Über das Funkgerät hörte ich, wie Van Tries’ Leute sich einer nach dem anderen aus verschiedenen Teilen der Anlage meldeten. Sie klangen jetzt zuversichtlicher als noch vor ein paar Minuten. Ostzaun gesichert. Nordzaun. Sie glaubten immer noch an eine Übung.
    Beeil dich, sagte ich zu mir selbst.
    Eine Stimme sagte: »A-Flügel gesichert.«
    »Cafeteria gesichert.«
    Ich goss Schwefelsäure zu der Mischung im Messbecher. Meine Augen tränten jetzt so stark, dass ich kaum noch etwas sah. Mit ausgestrecktem Arm trug ich den Becher zum Safe.
    Und in letzter Sekunde packte mich der Zweifel.
    Willst du wirklich den gesamten Vorrat vernichten?
    Ja, redete ich mir ein. Ich starrte das Enhance an. Alles? Wirklich alles?
    Selbstverständlich. Ich musterte die Fläschchen mit den Kapseln im untersten Fach. HF-109 hatte meine Freunde getötet. Es konnte die Regierung stürzen. Aber in diesem Moment packte mich die Versuchung wie eine Einflüsterung des Teufels.
    Nie wieder wirst du diese Macht verspüren, wenn du alles zerstörst. Nie wieder diese Gewissheit. Bist du sicher, dass du nicht noch ein wenig 109 brauchen wirst, nur ein winziges bisschen?
    Wie von selbst sah ich meine Hand danach greifen. Ich ließ ein paar Kapseln durch die Finger gleiten.
    Worauf wartest du?
    Ich steckte sie ein. Nur eine winzige Menge.
    Ich entsorge es später, dachte ich.
    Dann schaltete ich den Deckenlüfter ein. Ich trat zurück und verspritzte die Säure wie ein Pyromane Benzin.
    Sofort begann es zu zischen, und grau-weiße Dämpfe stiegen auf. Papiere rollten sich zusammen und verfärbten sich, die Kanten von Manilaumschlägen lösten sich auf. Ich warf den ganzen Becher in den Safe. Er zerbrach, und die Säure triefte herunter, fraß sich in die Löcher in den Gehäusen der Festplatten. Die Plastikdisks schmolzen und zerfielen in Stücke. Die Plastikfläschchen mit HF-109 lösten sich in Rauch auf. Die Dämpfe trieben mich zurück, meine Lungen brannten wie Feuer. Vor lauter Tränen sah ich doppelt, und der durchdringende Geruch chemischer Zerstörung verbreitete sich im

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