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Serum

Serum

Titel: Serum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Reiss
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fragte ich mit flatterndem Puls.
    »Sie hatte einen schlechten Tag. Sie ist schon zu Bett.«
    Ich gab mich als Reporter des Cleveland Plain Dealer aus, der für einen Bericht über … Ich wollte schon behaupten »neue Arthritismedikamente« recherchierte, aber plötzlich hörte ich mich sagen: »Kognitionswissenschaft.«
    »Hä?«, fragte der Mann.
    »Glück«, meinte ich mangels einer besseren Erklärung. »Ich arbeite an einer Geschichte über Leute, die Glück gehabt haben.«
    Ich muss mir diese bescheuerte Idee aus dem Kopf schlagen, dachte ich, und mich wieder an die Fakten halten.
    Ich fügte hinzu, ich hätte gehört, dass Mildred eine interessante Geschichte über Glück zu erzählen habe. Könnte er sie bitte ans Telefon holen?
    »Wer hat Ihnen das gesagt?«
    »Dick Milenko aus Florida.« Für den Fall, dass Mildred nicht mit mir sprechen wollte, fragte ich den Mann: »Hat die Geschichte etwas mit einem Ausschlag zu tun?«
    Er zögerte. »Ach so, der Ausschlag. Sie liebt diese Geschichte. Und das Geld kam gerade recht, mit den ganzen Arztrechnungen wegen ihrer Arthritis.«
    »Das Geld«, wiederholte ich. Meine Handfläche war schweißnass.
    »Ich sehe mal nach, ob ihr nach Reden zumute ist«, versprach er.
    Ich wartete. Im Telefon hörte ich entferntes Hundegebell und eine Talkshow im Radio. Minuten verstrichen. Dann sprach wieder der Mann im Hintergrund. »Lass dir Zeit«, sagte er zu jemandem. »Millie, komm erst mal wieder zu Atem.«
    Es scharrte im Hörer, und dann vernahm ich mühsame Atemzüge. Sie klang alt und krank.
    »Hier ist Mildred. Sie haben von meiner Geschichte gehört?«
    »Nur dass Sie eine haben. «
    Als sie wieder Luft bekam, erzählte sie zwischen pfeifenden Atemzügen. Sie gehörte zu einer »Gruppe von alten Damen, die ein bisschen mit Aktien spekulieren. Wir recherchieren abwechselnd Firmen, in die sich zu investieren lohnt, was nicht schwierig ist, wenn man so viel Zeit hat wie wir.«
    »Übrigens«, fragte ich. »Wann war das?«
    Sie nannte den Zeitraum, während dem sie in der HF-109-Testgruppe gewesen war.
    Dann sagte sie: »Ich war dran mit dem Auskundschaften, also studierte ich das Internet, Jahresberichte und das Wall Street Journal. Außerdem ging ich zur Aktionärsversammlung von Poseidon Energy, in die unsere Gruppe schon ziemlich viel investiert hatte.«
    »Tja«, erzählte sie weiter, »ich bin nicht ganz sicher, warum, aber ich hatte das untrügliche Gefühl, dass die Männer da oben auf dem Podium logen. Hinterher ging ich zum Aufsichtsratsvorsitzenden und stellte mich vor, und da wurde das Gefühl so stark, dass ich die Mädels dazu überredete, noch am selben Nachmittag unseren ganzen Gewinn mitzunehmen, obwohl der Kurs noch stieg. Drei Tage später wurde Anklage gegen den Vorsitzenden erhoben. Die Aktie fiel in den Keller. Wir hätten Zehntausende verloren.«
    »Doch das haben Sie nicht«, sagte ich.
    »Nein«, meinte sie. »Das ist meine Geschichte. Ich habe in dem Monat auch in der Lotterie gespielt, wie üblich.« Sie lachte. »Aber nichts gewonnen. Nur mit Aktien, und nur wenn ich zu Versammlungen ging und die Manager persönlich traf. Meine Freundinnen behaupten, ich hätte ihre Gedanken gelesen. Doch ich hatte einfach nur Glück.«
     
    Inzwischen war es zwanzig nach elf. Ich fühlte mich, als hätte ich seit Tagen nicht mehr geschlafen. Aber ich fuhr zurück zum Blue Conch. Mir schwirrte der Kopf. Asa Rodriguez musste die wahre Geschichte von HF-109 kennen.
    Der dritte Hocker von rechts war immer noch leer.
    Enttäuscht setzte ich mich wieder hin.
    Drei von dreien, dachte ich. Hundert Prozent. Ist das möglich?
    Während ich auf den Barmann wartete, fiel mir die Nachricht wieder ein, die Asa Rodriguez’ Frau mir aufgetragen hatte.
    Worüber will Dr. Teaks mit ihm reden?
    Kranz war hier gewesen, um die Leute aus der HF-109-Gruppe zu befragen. Besonders interessiert hatte er sich für Ausschlag und Fieber. Er war zwar ein unangenehmer Mensch, aber nicht dumm. Wenn die Nebenwirkung tatsächlich mit erhöhten mentalen Fähigkeiten zu tun hatte, musste er darauf gestoßen sein.
    »Sie haben Asa verpasst«, sagte der Barkeeper. »Ah! Warten Sie! Er kommt gerade von der Toilette.«
    Ich wandte mich um und sah einen hochgewachsenen, dürren, wettergegerbten Mann mit langen Haaren, der ausgebeulte abgeschnittene Hosen und ein fleckiges weißes T-Shirt trug – nicht gerade die Standardversion eines Lenox-Wissenschaftlers. Er schlurfte zur Tür hinaus, ohne sich

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