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Serum

Serum

Titel: Serum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Reiss
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Shorts waren nicht zu verkennen.
    Das musste der Kerl im Schlauchboot getan haben. War es Oliver Royce gewesen?
    Ich stieg auf das Boot, während der Regen zu einem sintflutartigen Guss wurde. Vorsichtig schlich ich zur Kabinentür und steckte den Kopf hinein. Der nächste Blitz zeigte mir die Momentaufnahme eines schwimmenden Labors: Granitarbeitsplatten, Metallschränke, Bunsenbrenner, Poster mit tropischen Fischen.
    Die Tür zum WC stand offen. Niemand da.
    Der Regen prasselte kalt und erbarmungslos herunter. Ich beugte mich über den reglosen Körper, und ein süßlich-ranziger Geruch nach Blut und Fäkalien stieg mir in die Nase. Herrgott! Als ich ihn auf den Rücken drehte, kippte sein Kopf viel zu weit nach hinten. Sein Genick war gebrochen. Die Augen starrten blicklos in den Himmel. Ich konnte keinen Puls ertasten, dafür aber eine Messerwunde, links, zwischen der dritten und vierten Rippe.
    Ein einziger, sauberer Stich, genau wie es ein ausgebildeter Marine machen würde.
    Ich versuchte es dennoch mit Wiederbelebungsversuchen, nur für alle Fälle. Ich pumpte seinen Brustkorb. Regen floss aus seiner Kehle. Es war zu spät.
    Ich kauerte mich hin und fragte mich, ob mein Versuch, mit ihm zu reden, sein Todesurteil besiegelt hatte. Oder war es seine Drohung gegenüber Ray Teaks gewesen?
    Nur nichts anrühren, dachte ich, während der Regen meine blutigen Schuhabdrücke fortspülte. Die Sache wächst dir über den Kopf. Ruf die Polizei.
    Mir wurde schlecht. Wenigstens schaffte ich es noch, mich über die Bordwand zu übergeben und den Schauplatz des Verbrechens nicht noch mehr zu verunreinigen.
    Ich holte mein Handy hervor, doch im selben Moment sah ich im Schein eines Blitzes, dass ein Plastiktütchen aus Asas Tasche lugte.
    Meine Hand griff wie von selbst danach. Und natürlich befand sich etwa ein halber Teelöffel einer oreganoähnlichen Substanz darin. Über die Tüte gebeugt, um den Inhalt vor dem Regen zu schützen, öffnete ich sie und schnupperte daran. Der salzige Meergeruch, den ich schon einmal gerochen hatte, schlug mir entgegen.
    Jede Sekunde, die du zögerst, die Cops zu rufen, spricht gegen dich.
    Irgendwie war ich gespalten: einerseits der schockierte Normalbürger, der unversehens über einen Mord stolpert, andererseits der ausgebildete Ermittler. Der Bürger wollte die Polizei rufen. Der Ermittler versuchte, seine Schlüsse zu ziehen – und zugegebenermaßen widerstrebte es ihm, ein zweites Mal eine Probe von HF-109 aus der Hand zu geben.
    Immer noch das Handy in der Hand, fiel mir ein, dass der Barkeeper von Asas »vergeblicher« Suche nach seinem Fisch gesprochen hatte. Das ergab keinen Sinn. Er hatte ihn doch bereits gefunden.
    Endlich fasste ich einen Entschluss und wollte die 911 eintippen, doch da flammte keine drei Meter entfernt auf dem Wasser ein Scheinwerfer auf und blendete mich.
    Eine freundliche Männerstimme rief: »Hey, Asa! Was machst du da im Re…«
    Ich hatte das Boot nicht kommen hören, der Donner und der Regen waren zu laut gewesen. Hinter dem Scheinwerferstrahl konnte man die Silhouetten eines Mannes und einer Frau erkennen. Und mit Schrecken wurde mir klar, was sie sehen mussten. Nicht den Freund, den sie erwartet hatten, sondern einen blutbesudelten Fremden.
    »Sie sind nicht Asa«, sagte der Mann.
    Der Scheinwerfer senkte sich und erfasste meine blutigen Hände. »Ich habe ihn so vorgefunden«, erklärte ich lahm. »Da war ein Mann. In einem Schlauchboot.«
    »O Gott«, schrie die Frau, als der Scheinwerfer zu Asa schwenkte. Der Mann schnappte nach Luft. »Was haben Sie getan?«
    Wir schrien alle gleichzeitig aufeinander ein.
    »Ich war es nicht!«
    »Martha, ruf die Cops!«
    Alles ging drunter und drüber: Donner, Regen, Gebrüll. Der Typ gab Gas, und sein Boot machte einen Satz nach vorne und rauschte aufs offene Meer hinaus. Wahrscheinlich hielt er einen Gewittersturm auf See für sicherer als meine Gegenwart. An der Silhouette der Frau konnte ich erkennen, dass sie ihr Handy in der Hand hielt und eine Nummer eintippte.
    Key West ist eine winzige Insel. Die Cops würden binnen Minuten hier sein. Entweder ich rief sie sofort selbst an, oder ich machte mich schleunigst davon.
    In den Sekundenbruchteilen, in denen ich die Chancen abwog, sah ich kaum eine echte Wahl. Ein Unschuldiger würde – vom Standpunkt der Polizei aus betrachtet – bleiben. Aber die Polizei würde Spuren von Asas Blut an mir finden und meine Fingerabdrücke auf dem Boot, falls sie nicht

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