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Serum

Serum

Titel: Serum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Reiss
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antrat, ist eine lebende Legende. Er verliert niemals. In der Nacht vor der Übung tranken wir ein Glas zusammen, und ich glaube, wir waren beide davon überzeugt, dass ich keine Chance hatte. Aber bei Gott, ich habe ihn vom Schlachtfeld gefegt! Er schickte seine Jungs in einen Canyon. Ich wartete schon auf ihn. Er versuchte es mit einer Finte. Ich nahm indessen sein Hauptquartier ein. Es war, als würde ich in seinem Kopf stecken. Ich schlug ihn so vernichtend, dass sie mich beförderten. Das war die glücklichste Woche meines ganzen Lebens.«
    »Das hat sicher auch an Ihren Fähigkeiten gelegen«, meinte ich, und mein Puls beschleunigte sich.
    »So gut bin ich nicht. Ich hatte einfach Glück.«
    Etwas machte klick in meinem Kopf. Ich hatte Geschichten über Übelkeit erwartet. Blindheit. Fieber. Verlust der motorischen Kontrolle. Nicht ausgerechnet über Glück. Doch plötzlich wurde mir klar, dass keiner der beiden Männer wirklich Glück gemeint hatte.
    Echtes Glück – beispielsweise am Spielautomaten zu gewinnen – ist reiner Zufall. Aber zu Kriegsspielen gehören Talent, Intuition und Training – kognitive Fähigkeiten. Und zum Pokern ebenso.
    Eine seltsame Frage schoss mir durch den Kopf.
    War es möglich? Glück, durch ein Medikament?
    Aber was hatte ich in der Hand? Zwei unzusammenhängende Berichte. Nein.
    Milenko spöttelte: »Glück wäre eine tolle Nebenwirkung, was?«
    Ich lachte, aber es klang gekünstelt.
    »Kann man wohl sagen«, meinte ich. Im Rückblick erkenne ich die Komik der Situation. Ich war auf so viele Dinge gefasst gewesen. Dass das Serum tötete oder verkrüppelte oder die Leute blind machte. Aber nicht das. Das kam völlig unerwartet.
    »Kennen Sie die Geschichte von Napoleon? Ein General hatte sich um den Posten des Feldmarschalls beworben«, sagte Milenko. »Und Napoleon erwiderte: ›Sicher, er ist ein guter Feldmarschall, aber hat er auch Glück?‹ Verdammt, wenn man das Glück auf Flaschen ziehen könnte, es wäre Trillionen wert.«
    »Mehr als das«, meinte ich und dachte daran, dass das Wall Street Journal den Vorsitzenden als Glückspilz bezeichnet hatte.
    Bei unserer letzten Begegnung hatte er etwas gesagt, dem ich bisher keine Bedeutung beigemessen hatte. Es ist schwer, gegen einen Feind zu kämpfen, dessen Vorposten in unseren eigenen Köpfen sitzen.
    Damals hatte ich geglaubt, er meinte Spitzel innerhalb der Firma.
    Die Geschichten, die ich gerade gehört habe, sind reiner Zufall, redete ich mir ein.
    War es denn biologisch möglich, dass eine Chemikalie die mentalen Fähigkeiten so sehr steigerte, dass man es zunächst für Glück hielt – bevor irgendjemand begriff, was wirklich los war? Die Folgen wären unabsehbar. In der Finanzwelt. In der Politik. Liebe. Krieg.
    Das hätte den Vorsitzenden allerdings sehr belastet.
    Dabei fiel mir etwas ein, das der alte Barney Birnbaum vom FBI einmal gesagt hatte. »Unsere größten Misserfolge gingen darauf zurück, dass Agenten einfach nicht glauben wollten, was sie mit eigenen Augen sahen, weil es von ihrer vorgefassten Meinung abwich.«
    Aber ich durfte mich nicht zu Spekulationen hinreißen lassen. Alles, was ich hatte, waren zwei unbestätigte Geschichten.
    Du brauchst mehr Informationen. Du greifst nach Strohhalmen.
    Lieutenant Colonel Milenko seufzte. »Ich sagte Ihnen ja, meine Geschichte hat nichts mit dem Medikament zu tun.«
    Ich musste weitere Personen aus dieser Gruppe aufstöbern und sie interviewen. Mit hämmerndem Puls fragte ich, ob Dick Milenko noch andere Testpersonen kannte, die von HF-109 Ausschlag bekommen hätten.
    »Mildred vielleicht.«
    »Mildred?«
    »Mildred Orsichek. Sie ist die Einzige, die ich kenne. Inzwischen ist sie nach Shaker Heights gezogen. Ich habe seit Monaten nicht mit ihr gesprochen. Warum fragen Sie?«
    »Ich kann sie nicht finden«, erwiderte ich.
    »Null Problemo. Ich habe die Nummer.« Er ging hinaus und kam mit einem Zettel zurück.
    »Denken Sie daran«, bat er, als ich ging, »sobald Sie das Serum neu testen, möchte ich in der ersten Versuchsgruppe sein. Meine Gelenke werden jedes Jahr schlimmer.«
    »Versprochen«, meinte ich und konnte mich dabei selbst nicht ausstehen. »Sobald es so weit ist, rufen wir Sie an.«
     
    Am nächsten Münztelefon hielt ich an und wählte Mildred Orsicheks Nummer. Beim zweiten Klingeln meldete sich ein älterer Mann. Shaker Heights liegt in Ohio, und dort war es noch eine Stunde früher, zehn Uhr abends.
    »Kann ich bitte Mildred sprechen?«,

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