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Serum

Serum

Titel: Serum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Reiss
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Rodriguez über eine lange Holzkonstruktion, vorbei an den Ticketschaltern für Bootsausflüge. Die ganze Küste war zugebaut, ein unüberschaubares Labyrinth aus Läden und Buden, Bars und Docks, Rampen und Treppen. Hemingways tropisches Paradies war in letzter Zeit zu einem einzigen Apartmentkomplex für den Menschenschlag mit Viertwohnungen und Kabinenkreuzern zusammengewachsen.
    Ein Bild des Vorsitzenden blitzte vor meinem geistigen Auge auf. »Früher einmal«, pflegte er zu sagen, »waren Wunder eine Domäne des Himmels. Heute liegt in der Hand, die Gott uns entgegenstreckt, eine Lenox-Pille.«
    Dabei fiel mir wieder ein, dass Asa am Telefon das Wort Amygdala benutzt hatte und dass das der Teil des Gehirns war, mit dem Naturetech sich beschäftigte.
    Trotz meiner regelmäßigen Besuche im Fitnessstudio ermüdete ich in der schwülen tropischen Luft schnell. Glücklicherweise stampfte der Wissenschaftler so hart auf, dass sein Getrappel auf den Holzbohlen selbst dann noch hörbar war, wenn ich ihn nicht mehr sehen konnte.
    Doch plötzlich verstummten die Schritte, und ich blieb lauschend stehen. Schwer atmend lehnte ich mich an einen Pfosten, der mit Werbezetteln vollgepflastert war.
    Ich rief: »Ich muss mit Ihnen über HF-109 sprechen.«
    Keine Antwort.
    Ich setzte mich wieder in Bewegung, bis ich beinahe gegen ein Geländer geknallt wäre, an dem der Steg endete. Nein, nicht endete, er knickte nur scharf nach links ab, und ich konnte undeutlich ein Schild über meinem Kopf ausmachen.
    TURTLE KRAALS, stand darauf.
    Pelikane säumten die Dachkante, dösten oder starrten ins Leere, gespenstische Schemen in der Dunkelheit.
    Kein Asa in Sicht. Irgendwo in der Nähe surrte so laut eine Bilgepumpe, dass sie alle Schritte übertönt hätte. Key West Bight war ein einziges Gewirr von Maschinen. Ein Hafenlabyrinth: Schwimmanleger, Tankanlagen und Reihen über Reihen festgemachter Boote, Dinghis, Außenborder, Schlauchboote, Kabinenkreuzer. Es war voller als auf der Grand Central Station zur Stoßzeit. Die Luft roch nach Benzin und gebratenem Fisch. Wohin zum Teufel war Asa verschwunden?
    Was hatte der Barkeeper gleich wieder gesagt? Wie hieß Asas Boot?
    Erste Donnerschläge rollten über den Hafen. Das Hemd klebte mir nass von Schweiß am Rücken.
    Ich bewegte mich gerade auf den ersten Pier zu, als ein Schlauchboot ablegte und durch den Hafen brummte. Eine Gestalt mit nacktem Oberkörper kauerte geduckt am Ruder.
    Verdammt, dachte ich. Das ist er.
    Aber dann sah ich, dass die Haare zu kurz und die Schultern zu breit waren.
    Die Elektrizität des aufkommenden Gewitters knisterte in der feuchtkühlen Brise.
    Ich hoffte, Asa auf seinem Boot zu finden. Vielleicht hatte er sich bewaffnet. Ein Taucher wie er besaß sicher eine Harpune.
    Ich wünschte, ich hätte auch eine Waffe gehabt.
    Das rhythmische Wummern der Bilgepumpe übertönend, rief ich: »Was immer man Ihnen über mich erzählt hat, es war gelogen!«
    Keine Antwort. Inzwischen lief mir der Schweiß schon die Hosenbeine hinunter.
    Such dir lieber ein Hotel, sagte ich mir. Sprich morgen mit ihm, bei Tageslicht, wenn er weniger Angst hat.
    Aber so rasend schnell, wie die Dinge sich entwickelten, musste es heute Nacht sein, wenn überhaupt.
    Ich betrat den Anlegesteg und ging von Boot zu Boot. Ich dachte, ich würde mich an den Namen erinnern, wenn ich ihn sah.
    Ein kleiner Schleppnetzfischer, die Yo Mudder, ein Segler, die Away We Go, dann ein kleiner Azimut-Motorkreuzer namens Just Say Yes. Das passte alles nicht.
    »Was ist die verdammte Nebenwirkung des Medikaments?!«
    Der Donner rückte näher. Blitze zuckten über die Bai. Gib mir nur eine Minute, dachte ich frustriert.
    Die Sterne wurden von der näher rückenden Nebelbank ausgeknipst. Ich durchsuchte einen Anlegesteg nach dem anderen.
    Als ich den letzten erreichte, hüllte mich bereits der Nebel ein. Das Klima schaltete von mildem Südpazifik auf kaltes Südlondon um. Man konnte nur noch sechs Meter weit sehen.
    Schließlich erreichte ich einen kleinen Kabinenkreuzer mit einem Namenszug in Goldschrift: Eureka. Das war es! Die ersten Regentropfen zerplatzten auf meinem Kopf. Mein Blick glitt über das Schandeck und fiel auf eine Gestalt, die neben der offenen Kabinentür lag.
    Ein Blitz flackerte grünlich über das Stillleben: grünes Glasfaserboot, grüne Haut, grünes Wasser.
    Ich lief selbst grün an.
    Es war Asa. Er lag mit dem Gesicht von mir abgewandt, aber das strähnige Haar und die ausgebeulten

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