Serum
Vorsitzenden war, Ihnen zu vertrauen.«
»Sein Fehler war, die Möglichkeiten von Oblige zu ignorieren. Soll ich weitersprechen, oder lehnen Sie einen fairen Handel kategorisch ab?«
»Ich höre Ihnen zu«, sagte ich und dachte dabei, dass Gabrielle recht gehabt hatte. Der Vorsitzende hatte nicht gewusst, wer seine Freunde waren. Er hatte die Leute um sich herum so auf Distanz gehalten, dass er sich am Ende selbst in ihnen täuschen musste.
Schwadron ging leicht gebeugt, wie ein alter Mann, doch seine Stimme klang jung und kraftvoll, war die eines Visionärs. Und ich war der Gefangene, dem man ein paar letzte Augenblicke des Luxus gewährte, die Verlockung eines besseren Schicksals.
»Das einundzwanzigste Jahrhundert«, begann Schwadron und breitete die Arme aus, als wolle er hundert Jahre umspannen. »Und die Vereinigten Staaten. Das großartigste, mächtigste Imperium der Geschichte. Unsere Wirtschaft ist die größte. Unsere Armeen schützen die Welt. Unsere Bürger verfügen über den höchsten Lebensstandard, und dennoch …«
»Ist das Imperium gefährdet«, schloss ich seinen Gedankengang ab.
»Ja« ,betonte er heftig. Aus seiner Miene leuchtete der politische Krieger, der er in seiner Jugend gewesen war. »Unsere Demokratie wird von allen Ecken und Enden bedroht. Terroristen schmieden Pläne gegen uns. Die Europäer vereinigen sich zu einer neuen Macht. Die Asiaten übernehmen unsere Märkte und streben nach Nuklearwaffen. One nation under God, Mike. Ich glaube, Gott selbst hat unserer Firma und unserer Regierung diese Droge gegeben, damit wir die Werte bewahren können, für die wir mehr als drei Jahrhunderte lang gekämpft haben.«
»Sie bringen Gott ins Spiel?«, fragte ich verblüfft.
»Wenn wir Seine Gabe richtig verwenden.«
»Sind Sie übergeschnappt?«
Er lachte belustigt. Seine Hand klatschte auf den Kaminsims nieder. »Ach, Mike«, sagte er, während er sich Perrier in ein frisches Glas einschenkte. »Sie gefallen mir. Das ist nicht Ihr Ernst. War Thomas Jefferson übergeschnappt? Oder Salk? Nein, sie kannten nur die Macht neuer Ideen. Wie Sie.«
»Was verlangen Sie von mir?«
»Die Disk. Die Kopien. Ein Schweigegelübde von Ihnen und Ihren Freunden. Nichts, was Sie nicht selbst erwarten würden, wenn Sie an unserer Stelle wären. Ich möchte, dass Sie zu den Menschen gehören, die von nun an die Sicherheit und das Wohlergehen unseres Landes gewährleisten. Wir müssen die Schachzüge unserer Feinde antizipieren. Unsere Wirtschaft und unsere Politiker schützen. Ich möchte, dass Sie zu den wenigen Privilegierten gehören, die Zugang zu Oblige haben.«
»Sagten Sie nicht, dass von jetzt an Washington die Kontrolle übernimmt? Wie sollte ich es dann überhaupt bekommen?«
Schwadron zuckte die Achseln. »Mit Dwyers Tod haben sich die Verhältnisse verändert. Niemand will, dass die Story an die Öffentlichkeit kommt. Der Wert von Oblige liegt zum Teil in seiner Geheimhaltung.«
»Also machte die Firma einen Deal. Ich wette, Sie bekommen auch Ihre Ration Oblige. «
»Das wäre nur recht und billig, denke ich.«
»Und die Royces? Schon vergessen? Die Leute, die Dwyer getötet haben?«
Er nickte. »Niemand wollte, dass Dwyer etwas zustößt. Wenn Sie recht haben, wird man sich um diese Leute kümmern. In aller Stille. Ich verspreche es.«
Ich dachte darüber nach. Die moralische Einäugigkeit seines Angebots unterschied sich nicht sehr von dem, was ich für Dwyer getan hatte. Der Einsatz war höher, doch das Prinzip war dasselbe. Die Royces würden nie ihre gerechte Strafe erhalten, aber ich konnte es mir wenigstens einreden. Ich konnte so tun, als ob, und im Gegenzug würde man mir Sicherheit garantieren.
Ich sagte: »Und wer genau entscheidet, welche Personen die Droge erhalten? Die Chili futternden Halbfaschisten da draußen?«
»Seien Sie nicht naiv, Mike. Wir wissen beide, dass solche Selektionen tagtäglich in Firmen, in der Regierung und sogar in der Familie getroffen werden. Wem kann man eine entscheidende Formel anvertrauen? Zugang zu einem Bankkonto gewähren? Wer kommt auf die geheime Liste des Weißen Hauses für diejenigen, die im Ernstfall in die Atombunker aufgenommen werden? Wer wird an Oblige teilhaben?«
»Sie meinen, das Weiße Haus steckt mit drin?«
Er schlürfte sein Perrier und lächelte. »Es gibt einige Dinge, die nicht einmal ich weiß, Mike. Aber in den nächsten paar Wochen werden von zuverlässigen Personen Listen erstellt werden, wer in Washington, der
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