Serum
Industrie und in akademischen Kreisen den ersten Zugang erhält. Zunächst wird es nur einen begrenzten Vorrat geben. Schließlich haben wir nur ein einziges Labor, und die Synthese ist langwierig.«
»Was ist mit den Rücktritten in Washington während der letzten Wochen? Der Präsident. Der Richter am Obersten Gerichtshof. Steckt 109 dahinter?«
»Das steht nicht zur Debatte.«
»Wusste der Vorsitzende, dass 109 zu einem kalten Staatsstreich missbraucht wird?« Ich lachte auf. »Irgendwie passend, schätze ich. Die drogenabhängigste Gesellschaft der Welt wird am Ende mittels einer Droge regiert.«
Schwadron sah ehrlich gequält drein. »Jetzt übertreiben Sie aber. Und ich hatte nichts mit Dwyers Tod zu tun. Dwyer drohte, die Droge zu vernichten. Mike, er wollte die schärfste Waffe im Arsenal unserer Demokratie ausradieren. Man muss gewisse Kompromisse eingehen, wenn die Ziele so hochgesteckt sind. Bei der Einführung eines neuen Systems gilt es immer erst, ein paar Anlaufschwierigkeiten zu beseitigen.«
»Sie nennen einen Putschversuch eine Anlaufschwierigkeit?«
»Die Schwierigkeiten werden beseitigt werden. Außerdem, Mike, hätten die Leute, die zurückgetreten sind, nichts zu verbergen gehabt, wäre ihnen nichts geschehen. Oder sind Sie anderer Ansicht?«
Schwadron ließ sich zu meiner Linken auf die Couch sinken. Er tätschelte mir sanft das Knie wie ein Großvater.
»Eine Frage, Mike. Wenn Sie die Formel zur Herstellung einer Atombombe hätten, würden Sie damit an die Öffentlichkeit gehen?«
»Natürlich nicht.«
»Eben. Mit Oblige ist es dasselbe, nur dass seine Existenz Teil des Geheimnisses ist. Wenn der Präsident sich morgen in Peking mit dem chinesischen Premierminister an den Verhandlungstisch setzt, um ein Nuklearabkommen auszuarbeiten, was glauben Sie, rein theoretisch, würde passieren, wenn der Präsident die wahren Absichten der Chinesen kennt, gleichgültig, was sie ihm ins Gesicht sagen? Nichts ist mehr wie vorher, wenn man nicht mehr lügen kann. «
»Der Präsident weiß also Bescheid?«
»Ich sagte: theoretisch.« Schwadron stand auf und ging zum Kamin. Er schien darauf zu achten, dass die linke Hälfte seines Gesichts immer abgewandt war.
»Der springende Punkt ist«, meinte er, »niemand hat etwas davon, wenn vor Gericht oder in der Presse viel Rummel um Oblige gemacht wird. Es ist zu jedermanns Vorteil – besonders zu Ihrem –, einen sicheren, sauberen Verteilungsmechanismus auszuarbeiten. Dwyers Tod brachte die beteiligten Parteien dazu, wieder mehr die gemeinsamen Interessen zu sehen. Die Droge zu teilen.«
Ich dachte nach. Sein Angebot klang verlockend. Ich war unschuldig. Ich hatte Angst. Meine Freunde waren in Gefahr. Mit einem Vorrat an HF-109 konnte ich mein ganzes Leben umkrempeln. Nicht nur finanziell. Ich wäre endlich ein vollwertiges Mitglied von Dwyers Welt. Ein Supermann im Vergleich zu den Menschen, die die Droge nicht hatten. Ich erinnerte mich gut, wie klar meine Eindrücke in Key West gewesen waren, und war mir bewusst, welche Vorteile diese Hellsichtigkeit im Geschäft, in der Liebe, in tausend alltäglichen Dingen bringen konnte. Oblige würde seine Anwender zu Giganten machen. Mich zum Beispiel.
»Sagen Sie einfach ja«, drängte er. »Lassen Sie uns alle zum Wohle der Allgemeinheit zusammenarbeiten.«
Aber ich hörte mich fragen: »Wurde die New Yorker Polizei deshalb gedrängt, Dwyers Tod als Selbstmord hinzustellen?«
»Selbstmord war eine sehr reale Möglichkeit, daher unternahmen wir nichts gegen diese Schlussfolgerung.«
»Warum hat Eisner dann nicht von mir abgelassen?«
Schwadron seufzte. Das Thema Eisner schien ihm nicht zu behagen. »Er untersuchte den Pentagon-Vertrag schon vor Dwyers Tod. Er ist ein Heißsporn. Er kam zu dem Schluss, dass Sie ein Gauner sind, Mike. Er sah Dwyers Liste und nahm an, Sie hätten die Disk gestohlen, um sie zu verkaufen. Doch diese Befürchtung haben Sie heute entkräftet.« Schwadron sah zur Tür, als wollte er mir damit sagen, dass Eisners Männer da draußen lauerten. »Aber ich kann Eisners Leute zurückhalten. Es liegt ganz bei Ihnen. Wir können der Menschheit so viel Segen bringen, Mike!«
»Dem Mann auf der Straße.«
»Seien Sie nicht kleinkariert. Strategische Entscheidungen sind nie leicht. Die Welt ist nun einmal nicht schwarz-weiß, sondern grau in grau, und das war selbst Dwyer klar, wenn es darum ging, zum Vorteil von Lenox Gesetze zu brechen. Sie waren selbst daran beteiligt. Was ist
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