Serum
wirklich traurig, dass sich keine Lösung finden ließ.«
17
D
er Schwarze legte mir Handschellen an. »Sagen Sie es, wenn sie zu eng sind, Sir«, meinte er. Seine Haut war sehr dunkel, und er sprach leise. Durchtrainiert, ein Ex-College-Athlet vermutlich.
Die Nase des weißen, dünnen Mannes sah eingedrückt aus, als wäre sie mehrmals gebrochen worden. Seine smaragdgrüne Krawatte kollidierte mit dem gedeckten Grau seines altmodischen Anzugs. Er hatte einen Griff wie ein Schmied, Geheimratsecken wie ein Country-Sänger und tiefe Aknenarben in einem ansonsten gutaussehenden Gesicht. Ein Hinterwäldler, dachte ich.
Der Weiße drapierte ein Taschentuch über die Handschellen, damit Keatings Gäste nicht merkten, wie ich abgeführt wurde.
Ich spürte einen kurzen, schmerzhaften Druck an der Hüfte und sah ein kleines schwarzes Kästchen mit zwei Spitzen in der Hand des athletischen Schwarzen.
Er sagte: »Wenn Sie schreien oder sich wehren, wenn ich auch nur den leisesten Verdacht habe, dass Sie zu fliehen versuchen, wird es sich so anfühlen, als hätte jemand ein Radio zu Ihnen in die Badewanne geschmissen.«
»Wo ist Eisner?«, fragte ich. »Im Wagen?«
Die Technik war klassisch. Ich hatte selbst beim FBI gelernt, wie man mit minimalem Aufsehen Verdächtige an öffentlichen Orten festnimmt. Sie brachten mich nach draußen.
Wo ist Gabrielle?
Ist sie noch auf der Party? Wurde sie ebenfalls verhaftet? Oder arbeitet sie mit denen zusammen?
»Wohin gehen wir?«, fragte ich.
»Halts Maul, du Schwein«, sagte der Schwarze. Jetzt, wo Schwadron nicht mehr da war, musste er nicht länger höflich tun. Das Kästchen presste sich in meine Seite, aber er betätigte den Knopf nicht.
Ich hörte die Band. Zu den Klängen von »Mood Indigo« – in einer zähen Altersheim-Fassung – stießen die Männer mich einen Pfad am Strand entlang, vorbei an knorrigen Kiefern, die sich mit Wurzeln wie Krallenfinger an den Felsen festklammerten. Der Pfad umging Keatings Auffahrt und die Stadtcops, die sie bewachten. Unvermittelt kamen wir auf einer malerischen, gewundenen Straße heraus. Ein neuer weißer LTD wartete im Leerlauf. Ich konnte nicht erkennen, ob er Regierungsnummernschilder hatte. Der Passagier, der ihm entstieg, war nicht Eisner, sondern eine Frau mit harten Gesichtszügen. Sie trug ein elegantes Kostüm, eine blaue Sonnenbrille, und unter ihrem Jackett zeichnete sich die Beule eines Schulterhalfters ab.
»Wollen Sie mir nicht meine Rechte verlesen?«, fragte ich den Schwarzen.
Stattdessen explodierte eine Welle von Schmerz in meiner linken Schulter und warf mich gegen den dünnen Mann rechts von mir. Rasiermesserklingen schlitzten meine Nervenenden auf und durchbohrten mich wie Schrapnellsplitter vom Arm bis zum Bauch. Ich roch gegrilltes Fleisch. Es war mein eigenes.
»Herrgott noch mal, Fährmann«, sagte der Dünne zu seinem Partner. »Sag mir vorher Bescheid, wenn du so was machst.« Er zerrte mich wieder auf die Füße. Ich hatte mich geirrt, was seine Herkunft anging. Er sprach mit Chicago-Akzent.
Ich vermisste jetzt schon die kleinen, lästigen Regularien, die mich beim FBI so geärgert hatten. Zum Beispiel, den Festgenommenen über seine Rechte belehren zu müssen.
»Rechte, du mieses Stück Dreck?«, sagte der Schwarze, während die Fahrerin die hintere Tür öffnete. Die Rückbank war mit einem Gitter von den Vordersitzen abgetrennt. »Du hast das Recht, dich auf der Flucht erschießen zu lassen. Du hast das Recht, das Maul zu halten, wenn ich es dir sage, zu essen, wenn ich es dir sage, zu pissen, wenn ich es dir sage, und das sag ich dir nur einmal. Marty«, fragte er den blassen Mann, »habe ich irgendeins von Osamas Rechten hier vergessen?«
»Ich bin nicht das, was Sie glauben«, sagte ich.
Er musste den Taser hochgedreht haben, denn diesmal schrie ich vor Schmerz und biss mir in die Zunge. Mein Kopf knallte gegen das Fenster. Mein Ellbogen brannte wie Feuer an der Stelle, wo der elektrische Schlag erfolgt war. Messerklingen schabten über Knochenhaut, zerschnitten Synapsen und drangen in Nervenenden ein. Meine Halsmuskeln mussten sich verkrampft haben. Ich bekam kaum noch Luft.
»Ich wusste doch, dass ich noch etwas vergessen hatte. Du hast das Recht auf so viele Volts, wie du aushältst, Arschloch.«
Diesmal gab ich keine Antwort.
»Schon besser. Weißt du, ich bin der Fährmann, und du bist mein Passagier«, sagte der Schwarze und schob sein Gesicht so dicht an mich heran, dass ich die
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