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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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etwas verlegen und fummelte mit einem Karton voller
Glastäfelchen herum. Maggie nahm eines der Gläser zur Hand und reichte es mir. »Wunderschön
— wunderschön!« Der Inhalt des Glases ähnelte nicht im entferntesten Mutters
eingemachten Gurken. Es enthielt Segmente eines Gehirntumors, in verschiedenen,
widerwärtigen, rötlichgrauen Schattierungen. Ich gab es ihr schnell zurück.
»Wenn das nicht ein prima Hirn ist — und was für ein Tumor! Ein netteres
Exemplar habe ich selten gesehen. Sie können auf dieses Präparat stolz sein.«
Der Arzt sah geschmeichelt und schüchtern drein, und ich glaubte ihn beinahe
sagen zu hören: Wenn Sie wollen, gebe ich Ihnen das Rezept.‹
    »Ich komme mir wie ein richtiger
Zirkusgaul vor!« sagte Maggie und bat ihn, ihr die lange Liste cerebrocranialer
Verletzungen auf dem Diagramm an der Wand zu erklären. Ich ging in die nächste
Kammer und blieb wie angewurzelt stehen. An der hinteren Wand stand ein
riesiger, beleuchteter Glasschrank. Irgendein medizinischer
Panoptikumsbesitzer, der die Dinge allzu buchstäblich nahm und sich nicht mit
Diagrammen, Diapositiven und Präparaten begnügen wollte, hatte lebensgroße,
rosa Gummimenschen hergestellt — das heißt, keine ganzen Menschen, sondern nur
Körperteile. Ein halber Schädel mit einem glotzenden Zyklopenauge und daneben
ein anderer, dessen Decke wie der Deckel einer Butterdose hochgeklappt war, so
daß man den Gehirntumor darunter sehen konnte. Gleichsam hypnotisiert von dem
grausigen Anblick ging ich hin und berührte eines der Objekte. Es fühlte sich
elastisch an wie Schaumgummi. Maggie war mir gefolgt und studierte hingerissen
die graphischen Darstellungen der psychischen und physischen Veränderungen und
der nur allzu entmutigenden Sterblichkeitsraten, die mit großen schwarzen
Lettern an die Wand neben dem Schrank gemalt waren. »Ich muß sagen, es ist
erstaunlich, was für Fortschritte die Gehirnchirurgie in der kurzen Zeit, seit
ich nicht mehr arbeite, gemacht hat! Stell dir vor, daß man jetzt genau
beobachten kann, wie wunderbar sich ein Tumor entwickelt.« Sie zeigte auf eines
der unteren Regale, auf dem eine ganze Reihe rosaroter Köpfe stand. Der erste
blickte nur verwundert drein, der zweite verwundert und bekümmert, der dritte
verwundert, bekümmert und gequält. Durch zwölf Etappen hindurch wurde seine
Miene immer schlimmer, bis er zuletzt wie der leibhaftige Dr. Caligari aussah,
wie er sich gerade auf einen stürzen will, nur daß seine Schädeldecke auf einem
anderen Regal lag — ein Kunststück, das ihm Dr. Caligari einmal nachmachen
sollte!
    »Wenn dir die Modelle gefallen, mußt du
erst einmal warten, bis du den Film gesehen hast. Der ausstellende Arzt sagt,
er sei großartig!«
    »Ich kann es kaum erwarten«, murmelte
ich und blickte schnell von einem Gehirntumor weg, der so groß war wie eine
Diakonissenhaube und diesmal auf dem halben Kopf einer rosigen Gummifrau saß,
die die eine Braue hochgezogen hatte. Maggie eilte voraus zu einer Reihe von
Museumsstücken in ovalen Glasrahmen. Während ich ihr folgte, versuchte ich mich
zusammenzunehmen. Ich sah nicht ein, warum mir das alles so zuwider sei.
Schließlich bin ich ja mit einem Arzt verheiratet und hätte längst gelernt
haben müssen, nicht alles, was ich zu sehen bekam, auf mich zu beziehen. Ich
sollte mir das sachliche, wissenschaftliche Streben angewöhnen, zu beobachten
und zu lernen, und die Einstellung haben, daß es sich hier nicht um
widerwärtige Eingeweide, sondern um kranke Organe handle. Ich hielt mir im
Geist die Nase zu und wagte mich in den nächsten Raum.
    Hier waren Krebspräparate ausgestellt.
Binnen einer halben Stunde war ich eine brodelnde Masse stechender Schmerzen,
und die einzige Variante, die mir erspart blieb, war der Prostatakrebs.
    Ich war jetzt schon so zermürbt, daß
ich mich mit wahrer Gier auf die Gelegenheit stürzte, mir einen Vortrag über
Knochenbrüche und Gipsverbände anzuhören. Ais wir uns in einer langen Reihe
anstellten, um in den Vortragssaal hineinzukommen, machte Maggie mich darauf
aufmerksam, daß sich eine solche Gelegenheit nur einmal im Leben biete. Dr.
Hanson sei berühmt für seine glänzenden Vorträge, und sogar Pete habe sich frei
gemacht, um ihn zu hören. Sie habe viele seiner Artikel gelesen und sei natürlich
mit seiner Technik vertraut, aber man müsse sich nur vorstellen, daß man jetzt
Gelegenheit habe, ihn persönlich zu sehen und zu hören!
    Als der Vortragssaal bis zum

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