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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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Blumenkörbe
schmückten den Saal — es sah aus wie ein Mittelding zwischen einer
Krönungsfeier und einem Gangsterbegräbnis.
    Maggie kaute bedächtig und betrachtete
mich nachdenklich. Hoffentlich, meinte sie, würde ich nicht enttäuscht werden,
aber ihrer Schätzung nach sei alles, was die Herren Doktoren auch nur
anrührten, zum Tode verurteilt. Lauter Spaßverderber!
    »Eine richtige Warenmesse ist nicht
umzubringen«, sagte ich aus alter Anhänglichkeit an meinen früheren Beruf.
»Warte nur, du wirst schon sehen, was ein hemmungsloser Werbeagent zustande
bringen kann!«
    Eines aber wußte Maggie: Pete hatte ihr
zehn heilige Eide schwören müssen, daß er jede Nacht mit ihr in ein anderes
Lokal tanzen gehen würde — Tagung hin, Tagung her. Sie war noch nie in San
Francisco gewesen, diesmal aber würde sich ausnahmsweise Petes geduldiges
Aschenputtel vor seinen Augen in eine launische Bacchantin verwandeln. Sie
würde jede Minute so tun, als ob Pete noch auf Freiersfüßen ginge und es für
seine Ehre hielte, sie ausführen zu dürfen, und daß sie sehr schwer zu erobern
sei — sehr schwer!
    Die Sache mit dem Tanzengehen erschien
mir etwas zweifelhaft, wenn ich mir überlegte, daß Jim sogar vor unserer
Verheiratung nie aus freien Stücken das sogenannte Tanzbein zu schwingen
pflegte, aber ich hatte die Absicht, mir zwei oder drei gute Stücke
anzuschauen, eine ganze Menge Zeit im Berghotel ›Top of the Mark‹ zu verbringen
und mich darauf zu verlegen, jeden Morgen im Bett zu frühstücken.
    Wir verbrachten den Rest der Fahrt im
Speisewagen und machten nur ab und zu einen kleinen Abstecher in die
Damentoilette, um die Lippenstifte auszusuchen, die zu dem sündigen Milieu der
Nachtlokale passen würden.
    Als wir uns Oakland näherten, konnten
Pete und Jim ihre Aufregung nur noch mühsam beherrschen. Als der Zug hielt,
stürzten sie sich mitten in eine Schar von Kollegen und begrüßten den einen
oder anderen mit wilder Begeisterung, soweit man bei Ärzten von wilder
Begeisterung sprechen kann. Maggie und ich standen an einem Pfeiler, warteten
auf das Gepäck und sahen zu, wie die Arztfrauen über die Rampe ins Fährboot
strömten, gleich den Tieren in Noahs Arche. Zwei gelbe Hermeline, zwei Nerze,
zwei Silberfüchse, ein Feh und Otter, ein Leopard und ein — ja, ein echter
Zobel.
    »Ich komme mir ganz klein und schäbig
vor«, sagte Maggie, zog Dorothys blaues Kostüm zurecht und sah zum erstenmal
nach, wie es ihr paßte. »Und wenn das das Frauenkomitee ist, dann hoffe ich,
daß sie sich zu Tode schwitzen.«
    Ich knöpfte die unteren zwei Knöpfe an
Faiths braunem Kostüm auf. Es hatte schon, als ich es anzog, um die Mitte recht
knapp gesessen, und in der Zeit, die wir so fleißig im Speisewagen verbracht
hatten, war es nicht gerade weiter geworden. »Na, wir können ja allemal so tun,
als ob wir Ärztinnen wären, die hergefahren sind, um ihrem Bildungsdrang zu
frönen. Komm — hier sind unsere Koffer!«
    Im Taxi erfuhren wir, daß wir nicht im
selben Hotel wohnen würden. »Und was wird aus dem gemeinsamen Frühstück im
Bett?« sagten wir ärgerlich. »Wir wollten doch zusammen auf euch warten, bis
ihr nach Hause kommt.« Pete und Jim zuckten bedauernd die Achseln. Die
Hotelbestellungen würden bereits viele Monate vorher aufgegeben und die
verschiedenen Spezialzweige soweit wie möglich in ein und demselben Hotel
untergebracht. Unsere beiden Hotels lägen einander gegenüber. Pete meinte, im
schlimmsten Falle könne eine von uns sich anziehen, über die Straße in das
Zimmer der anderen hinüberspazieren, sich ausziehen, ins Bett kriechen und dann
das Frühstück bestellen. Es sei nicht ihre, sondern unsere Idee gewesen,
mitzukommen. Wir setzten Pete und Maggie im ›St. Clemens‹ ab und gingen in
unser Hotel hinüber.
    Das ›Fairfield‹ war ein kleines,
schäbiges Gebäude, eingepfercht zwischen zwei imposantere Häuser. In dem
langgestreckten Erkerfenster, das auf die Straße ging, waren zwei Gummibäume zu
sehen und zwei mürrische Herren, die in ihren Klubsesseln schlummerten. Als wir
die Drehtür durchschritten, stellte sich heraus, daß das Vestibül verschwunden
war. Tischler und Tapezierer hingen in halsbrecherischen Stellungen über dem
Abgrund, der einstmals die Portierloge beherbergt hatte, und brüllten einander
zu: »Paß auf — halt fest!« Die Telefonistin saß auf einer seltsamen kleinen
Insel mitten unter Sägeböcken, Sägen und Bergen zugedeckter Möbel und

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