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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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Männer ihr bewundernde und oftmals auch
begehrliche Blicke zuwarfen, und wartete stets mit teuflischer Freude auf die
erstaunten und gekränkten Mienen, die einer übermäßigen, aber irrtümlichen
Begeisterung auf dem Fuße folgten. Maggie ist wie ein Stachelschwein, sie sieht
so glatt und sanft aus, infolgedessen ist man nicht auf ihre plötzlichen
spitzen Bemerkungen gefaßt. Sic kam zu uns zurück, stellte sich auf die
Zehenspitzen und flüsterte Dr. Mac etwas ins Ohr. Er lächelte und nickte, sie
verschwanden in das Gebäude und kamen stolz mit zwei Kongreßabzeichen zurück.
›Dr. med. Jay, Ausstellungsmitglied‹ — ›Dr. med. Roberts,
Ausstellungsmitglied.‹
    Maggie strahlte. »Doktor Mac hat uns
die Abzeichen verschafft, ist das nicht reizend von ihm! Jetzt dürfen wir uns
die wissenschaftliche Ausstellung ansehen. Du weißt, Nichtfachleute sind nicht
zugelassen. Ich kann es kaum erwarten, mir Doktor Macs Farbmikrofotografie der
Cervix anzuschauen.« Ich wartete, daß sie mir vertraulich zuzwinkern würde,
aber ich wartete vergebens. Maggie wollte sich die Fotos wirklich ansehen. Ich
war tief erschüttert.
    Wir aßen zusammen mit den Ärzten aus
St. Louis. Bei Tisch unterhielt sich Maggie unaufhörlich über medizinische
Fragen. Dann verkündete sie, sie wolle jetzt schlafen gehen, um morgen früh
frisch und munter zu sein.
    Jim ging in eine Sitzung, und ich fuhr
zu unserem Zimmer hinauf. Es war einigermaßen aufgeräumt worden. Über dem
Fettfleck auf der Stuhllehne hing ein Handtuch, die Bettüberzüge waren jetzt
von schillernder Kunstseide, und auf dem Schreibtisch lag eine Schreibmappe mit
der Aufschrift: »Willkommen in Kalifornien.« Ich nahm mir ein Buch, legte mich
ins Bett und begann das Telefon zu bedienen. Es klingelte unaufhörlich bis elf
Uhr nachts. Lauter fremde Ärzte, die mit Jim sprechen wollten. Um elf Uhr
machte ich das Licht aus und schlief ein.
    Am nächsten Morgen ging Jim schon vor
acht weg, um sich mit Pete zu treffen. Ich überlegte mir gerade, was für ein
üppiges Frühstück ich mir ans Bett bestellen sollte, da rief Maggie an. »Steh
auf und zieh dich schnell an, mein Schatz! Ich warte unten auf dich. Wir
frühstücken zusammen, und dann gehen wir ins Kongreßgebäude. Heute wird die Ausstellung
eröffnet!«
    Beim Frühstück erging sie sich in einem
wirren Geschnatter über die Vorzüge des Eisen-Hematoxylin als Färbemittel
gegenüber Sudan I, II und III und Eosin-Methylen-Blau. Und das allerschlimmste
war, daß sie ihr eigenes Kostüm angezogen hatte. Mir war mehr als elend zumute.
    Die Eingangshalle des Kongreßgebäudes
bereitete mir den ersten Schock. Anstelle der Blumensträuße und schimmernden
Seidengardinen, Parfümfontänen und zudringlichen Programmverkäuferinnen meines
Reklamekongresses begrüßten uns zerknitterte schwarze Stoffetzen an den Wänden,
die nach Formalin und Staub rochen. Die Programme lagen in Stößen auf kleinen
Holztischen, hinter denen ernste, junge Männer thronten.
    Dann kam eine Reihe kleiner
Schalterfenster, die an die vergitterten Schalter einer Bank erinnerten, und
jedes einzelne war mit einem ernstblickenden und geschäftigen Registrator
bemannt. An der rechten Wand hing ein unauffälliges Schild, schwarze Lettern
auf weißer Pappe: wissenschaftliche Ausstellung‹. An der linken Wand hing ein
ähnliches Schild: ›Technische Ausstellung‹. Trotz dieser abschreckenden
Atmosphäre traten die Herren Ärzte einander fast die Hacken ab, nur um schnell
hineinzukommen.
    Ein Gehilfe, der unter dem Schild der
wissenschaftlichen Ausstellung stand, kontrollierte unsere Abzeichen und
erlaubte uns mit einem gnädigen Kopfnicken, einzutreten. Die rechte Seite das
Saales hatte man mit Hilfe von Wandschirmen in kleine finstere Kämmerchen
aufgeteilt. An den Wänden der ersten Kammer standen eine Reihe kleiner
Holztischchen, an denen die ausstellenden Ärzte saßen. Nachdem meine Augen sich
an das Halbdunkel gewöhnt hatten, sah ich, daß an sämtlichen Wänden beleuchtete
Fotos von Gehirntumoren hingen, manche farbig, manche schwarz-weiß. Hinter
jedem Ausstellertischchen hingen Schilder an der Wand, die den Charakter des
Ausstellungsobjektes bezeichneten, und daneben komplizierte Kurven und
Diagramme. »Ist das Licht fabelhaft — ich habe dir doch gesagt, es ist wie auf
einem Jahrmarkt!« sagte Maggie begeistert, während sie sich bückte, um die
Aufschriften auf einem mit Glaszylindern beladenen Tisch zu lesen. Der
betreffende Arzt lächelte

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