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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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murmelte
lakonisch: »Fairfield, bedaure, nicht vorgemerkt, bedaure, versuchen Sie es im
Kongreßsekretariat.« Die nackte Rückseite des Schaltbretts lag gegen den
Eingang zu. Drähte schlängelten sich, Lichtlein blinkten. Der Portier, der über
keine andere Loge verfügte als zwei Apfelkisten und einen Eichentisch, erklärte
einem weinenden Gast, der Aufzug würde hoffentlich um sechs Uhr wieder in Gang
sein. Er könne nichts Bestimmtes versprechen. Erstens würde das Hotel renoviert,
und zweitens hätte dieser verdammte Kongreß begonnen. Jim befahl mir, bei dem
Gepäck zu bleiben, bahnte sich einen Weg zu den Apfelkisten und flüsterte dem
Portier etwas ins Ohr. Dabei drehte er sich um, zeigte auf mich und schüttelte
den Kopf. Der Portier beugte sich weit vor, musterte mich sorgfältig und sagte:
»Oh! Dann wollen wir sie mit dem Warenaufzug hinaufschaffen, Herr Doktor.
Besser als wenn in der Halle etwas passiert!«
    Jim sagte: »Fein! Vielen Dank!« — nahm
mich zärtlich unterm Arm und führte mich in den knarrenden Warenaufzug. Ein
ältlicher Hoteldiener trug unsere Koffer, drückte sich in eine Ecke und
betrachtete mich nervös.
    Als wir ins Zimmer kamen, ließ er
unsere Koffer fallen, öffnete das Fenster einen Zoll breit, drehte die Heizung
an und ab, fuhr mit der Hand über die Kommode, erklärte murmelnd, um das Radio
in Gang zu setzen, brauche man nur einen Nickel einzuwerfen, und eilte davon,
ohne auf das Trinkgeld zu warten.
    »Was hast du dem Portier erzählt?«
fragte ich. Jim grinste. »Er sagte, das Zimmer liege im zwölften Stock. Ich
sagte nur, ich befürchte, bei deinem Zustand würden die Treppen zuviel für dich
sein, und fügte hinzu, ich hätte mich nicht getraut, dich allein zu Hause zu
lassen. Daraus hat er seine eigenen Schlußfolgerungen gezogen. Los jetzt, pack
die Koffer aus, ich werde nachsehen, wo die Notausgänge sind.«
    Ich blieb mitten im Zimmer stehen, aus
dem einfachen Grunde, weil ich Angst hatte, mich irgendwohin zu setzen. Auf der
Kommode lag ein zerknülltes, mit Lippenrot beschmiertes Papiertaschentuch neben
einem schmutzigen Kamm, an dem noch ein paar Haare klebten. Die stickige Luft
roch nach Lysol und kaltem Zigarettenrauch. In der einen Ecke stand ein blauer
Plüschsessel mit einem dunklen Fleck, an dem so manches fettige Haupt geruht
hatte. Auf den Betten lagen schmutziggelbe, kunstseidene Überzüge in
unordentlichen Falten, und. darunter knäulten sich die Bettdecken. Zum
erstenmal in meinem Leben sah ich nach, ob die Leintücher sauber seien. Unter
der Glasplatte auf der Kommode lag eine gedruckte Hausordnung, deren Punkte
sich von den Vorschriften der Einwanderungsgesetzgebung bis zu den
Haftpflichtbestimmungen erstreckten. Der Papierkorb war seit Menschengedenken
nicht mehr geleert worden, und man fühlte sich in unbehaglicher Weise an die
Scharen schlampiger Hotelgäste erinnert, die der Reihe nach hier übernachteten.
Hier also sollte ich sitzen und auf Jim warten - jede beliebige
Bahnhofstoilette wäre mir lieber gewesen.
    Jim kam zurück und sagte, die
Feuerleiter befinde sich am rechten Ende des Korridors, der Aufzug sei wieder
in Gang, obwohl er einen recht wackeligen Eindruck mache, er habe draußen ein
Stubenmädchen aufgestöbert, das ihm versprochen hätte, das Zimmer aufzuräumen,
und ob ich nicht ein Bad nehmen und mich umziehen wollte, damit wir uns ins
Zentralbüro begeben und uns dort einschreiben könnten.
    Wir holten Maggie und Pete ab und
wanderten zum Kongreßgebäude. Hunderte von Ärzten wimmelten vor dem Eingang
herum und strömten aus und ein. Maggie stieß einen Freudenschrei aus und
umarmte einen reizenden älteren Herrn. »Mary, das ist Doktor Mac — für den ich
die Präparate zu machen hatte. Ist Doktor John auch hier?« Dr. Mac zeigte auf
eine Gruppe von Ärzten aus St. Louis, mit denen sich Pete und Jim unterhielten,
und Maggie verschwand in dem Gewühl. Dr. Mac verfolgte sie mit liebevollen
Blicken. »Eine so tüchtige Kraft wie Maggie haben wir nie wieder gehabt. Junge,
Junge, sie konnte zaubern! Es fehlten ihr nur sechs Monate, dann hätte sie ihr
Diplom gemacht. Ihre Mikrofotografien und Präparate waren immer einwandfrei.
Sie geht uns schrecklich ab.« In seinen Mienen lag jene sachliche Bewunderung,
die nur eine makellose Technik in der Seele eines Arztes wachzurufen vermag.
    Aus irgendeinem Grund hatte ich mir
Maggie nie als Laborantin vorstellen können. Ich war es gewöhnt, daß, sowie sie
ins Zimmer kam, alle anwesenden

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