Setz dich über alles weg
Schraubenschlüssel drauflos, daß sie sich kaum verständlich machen
konnte. Ab und zu legte er die Hand ans Ohr und sagte: »Wie?« Wenn sie dann noch
nicht kapitulierte, paffte er an seiner Pfeife wie eine Dampfmaschine, so daß
sie husten mußte, bis ihr die Tränen über die Wangen liefen. Wenn alles nichts
nützte, ging er auf die Veranda hinaus, knuffte Mari und Sally, bis sie
aufwachten, kam dann herein und sagte zu mir, die Kinder plärrten, ich müßte
mich um sie kümmern.
Fidele war für Großpapa ein zweiter
Stein des Anstoßes. Fidele, der philippinische Gärtner, der einmal in der Woche
zu uns kam und mir zarte Gedichte auf den Herrn Doktor und manchmal auch auf
mich verehrte. Nachdem er mir die Verse überreicht hatte, suchte er sich
sorgfältig eine Blume aus, möglichst eine Lilie, klemmte sie hinters Ohr und
spazierte dann gemächlich hinter der Mähmaschine her, Volkslieder von der Insel
Luzon trällernd. Fidele war Jims Patient, und er war so höflich und vergötterte
Jim so sehr in seinen Versen, daß ich geneigt war, allerlei zu übersehen — zum
Beispiel, daß er stets 20 Zentimeter breite Grasstreifen auf dem Rasen
stehenließ, die Oberfläche der Blumenbeete nur ganz zart mit den Fingerspitzen
berührte und sich immer die größten und schönsten Blumen aussuchte, um sie
hinters Ohr zu stecken.
Nicht aber Großpapa! »Ich habe
jahrelang Italiener unter meinen Kanalarbeitern gehabt, sie haben alle keinen
ordentlichen Handschlag.«
»Fidele ist kein Italiener, Großpapa.
Er ist ein Filipino, einer von Jims Patienten.«
»Na, arbeiten tut er wie ein Italiener,
und daß er Jims Patient ist — ›die Nüsse kriegen wir geschenkt, aber knacken
müssen wir sie selber‹ ... Ich habe ihn entlassen. Ich werde das Gras selber
schneiden.« Und das tat er denn auch, schnell und tadellos. Er stieß die Harke
tief in die Beete und lockerte das Erdreich. Er entfernte jedes Hälmchen
Unkraut und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Pflanzen.
9
Lerne tanzen ohne zu weinen!
Die erste herbstliche Musterung und
Abstempelung der neuen Ehefrauen in ärztlichen Kreisen findet für gewöhnlich in
Form einer Tanzunterhaltung statt. Sämtliche Arztfrauen sind fest entschlossen,
an dem Ball teilzunehmen und sämtliche Ärzte ebenso fest entschlossen, sich
nicht blicken zu lassen. Deshalb hat das Frauenkomitee schon längst
festgestellt, daß es idiotisch wäre, eine Einladung in die Praxis zu schicken,
ebenso idiotisch, wie wenn jemand auf die Idee kommen wollte, eine vierfarbige
Reklame für den neuen Lippenstift; hinzuschicken. Es hätte auch keinen Sinn,
sie dem Herrn Doktor ins Haus zu senden. Wer weiß, vielleicht ist das gerade
der Monat, da er beschlossen hat, seine Post zu öffnen, statt sie wegzuwerfen.
Deshalb haben die Frauen aus langer und bitterer Erfahrung gelernt, daß es nur
eine Methode gibt, um diese Truppenschau mit Gästen zu bevölkern: Man muß
rechtzeitig mit der telefonischen Flüsterkampagne beginnen, die darauf abzielt,
ihn hinzulotsen.
Die ersten Anrufe müssen schlau
eingefädelt werden. Wenn einer der Herren Doktoren von der Neuigkeit Wind
bekommt, ein Telefongespräch seiner Frau belauscht und den Inhalt richtig
interpretiert, setzt eine allgemeine Massenflucht ein, gefolgt von einer Reihe
schwerer Epidemien, die vierundzwanzigstündige ununterbrochene ärztliche
Tätigkeit verlangen.
Ich bekam den ersten Anruf am frühen
Morgen, aber immerhin zu einem Zeitpunkt, da man mit Sicherheit annehmen
durfte, er sei bereits weggegangen. »Mary, er ist weg, jetzt kann ich reden.
Der deinige auch? Fein!« Faiths Stimme klang sehr dringend. »Hör zu! Der
Wohltätigkeitsball der Mediziner wird dieses Jahr im Universitätsklub
stattfinden. Ja - am Neunten - Onkel John kommt aus San Francisco — ich gebe
zuerst eine kleine Cocktailparty. Machst du mit?«
Meine automatischen Denkvorgänge
funktionierten tadellos. »Ich muß Jim fragen. Vielleicht ist am Neunten eine
Besprechung.«
»Sei doch kein Vollidiot! Ich sitze mit
im Komitee, und wir haben uns erkundigt. An diesem Wochenende findet weder eine
Ärztetagung noch sonst eine Besprechung statt. Diesmal sind sie geliefert. Nun,
hör mal zu...« Sie entwickelte mir hastig ihre Pläne. Abendkleidung, Cocktails
bei ihr zu Hause — Onkel John pflegt stets die wunderbarsten Rezepte
mitzubringen — und außerdem habe sie ein tolles neues Kleid, das ihr Mann
natürlich abscheulich finden würde... »Du wirst ihn also
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