Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
Vom Netzwerk:
schwarzen Damen und stellten sich auf die
Zehenspitzen — mit offenen Mündern »Madame wünscht das Original zu sehen.« Sie
wandte sich wieder zu mir. »Es ist leider sehr teuer!«
    Diesmal war ich selber verblüfft, als
ich mich sagen hörte: »Der Preis spielt selbstverständlich keine Rolle!«
    ›Selbstverständlich.‹ das war ein
Meisterstück an Übertreibung! Am Abend vorher hatten Jim und ich unsere
halbjährliche Budgetbesprechung gehalten, und ich war durch Jims unbarmherzige
Logik so tödlich gekränkt gewesen, daß ich feierlich gelobte — nein, unter
Tränen darauf bestand — alle Ausgaben auf ein Minimum herabzudrücken. Er sollte
mir nur genügend Kostgeld bewilligen, damit wir die Vitamine bekämen, die wir
brauchen. Schließlich würde es den Leuten sonderbar erscheinen, wenn die Kinder
eines Arztes durch Unterernährung die englische Krankheit kriegten, obwohl das
offenbar Jims Bestreben sei. Ich brauchte kein Geld für Kleider, gerade nur die
notwendigsten Fetzchen, damit ich keine Frostbeulen und keine Lungenentzündung
bekäme. Und um die Brennstoffkosten herabzudrücken, würde ich sämtliche Heizkörper
im Haushalt abstellen bis auf einen — den im Zimmer des Babys.
    Jim hatte daraufhin gesagt: ›Du lieber
Gott! Und das alles, nur weil ich dich sanft gebeten habe, die
Scheckkontrollblätter aufzuheben. — Kohlenmann? Was soll das Fragezeichen
bedeuten?‹
    Auf meine Bemerkung hin: ›Hast du etwas
dagegen, wenn ich eine einzige gebrauchte Kerze anzünde, während ich die
Scheckkontrollblätter durchgehe?‹ — hatte sich Jim davongemacht, um ins Bett zu
gehen.
    »Wollen Sie bitte hier eintreten,
Madame?« Die zwei schwarzen Damen nahmen mich in die Mitte und geleiteten mich
in einen grünsamtenen Umkleideraum. Sie ignorierten geflissentlich die
Sicherheitsnadel, die das eine Schulterband festhielt, und eine zweite Nadel,
die meine Kostümjacke über der Taille zusammenraffte. Sie stülpten mir das
Kleid über den Kopf und zogen es zurecht. Ich blickte in den Spiegel und war
verloren. Fritzi hob den Vorhang auseinander und ließ sich zu einem kühlen
Lächeln herbei.
    »Ja, es paßt Ihnen — die Farben passen
wunderbar zu rotem Haar.« Sie strich eine zitronengelbe Falte auf der Achsel
zurecht. »Es braucht nicht geändert zu werden.«
    Nach dem Essen saßen Jim und ich lesend
vor dem Kamin. Das heißt, Jim studierte, und ich starrte ins Feuer — jedes
einzelne Flämmchen wurde zu einem Reflex meines neuen Kleides.
    Es klingelte an der Tür.
    »Na, was ist denn das nun für ein
gottverlassenes Ekel!« Jim steuerte auf die Tür zu, den Zeigefinger zwischen
den Seiten des Ärztejournals. Ich nahm mich zusammen und machte mich auf das
Schlimmste gefaßt. Jim behandelt im allgemeinen seine Gäste sehr zuvorkommend
und liebenswürdig, außer wenn er gerade mit seinen Studien beschäftigt ist.
Dann neigt er aber auch dazu, allzu herzliche Besucher, die
eben-mal-vorbeischauen, wie eine ectoplasmische Erscheinung zu betrachten,
zweifellos sehr merkwürdig, aber medizinisch ungesund. Er mustert sie wie durch
ein Mikroskop, läßt nach jedem nervösen Ausfall zehn Minuten verstreichen, geht
im Zimmer herum, nimmt Sachen zur Hand und legt sie wieder hin...
    Er öffnete die Haustür, wartete so
lange, daß es gerade eine Sekunde zuviel war, und sagte dann: »‘n Abend!« in
seinem schönsten ›Wir-kaufen-nichts‹-Ton. Als ich Bill und Kate Millers Stimme
erkannte, eilte ich zur Tür, um ein Unglück zu verhüten, aber ich kam leider
Gottes zu spät.
    »Oh, Jim — du weißt doch — der
Wohltätigkeitsball der Mediziner — wir haben uns gedacht, es wäre lustig, wenn
wir nachher bei uns frühstücken würden — meinst du nicht, Mary? Ping-pong —
scharfe Sachen — auf Deubel-komm-raus! Den ganzen nächsten Tag ist man ohnehin
zu nichts fähig — also warum nicht?« Mit strahlendem Lächeln begegnete sie Jims
zerstreutem Blick, der zwischen den Zeilen eines Fachartikels hängengeblieben
war. »Freust du dich nicht auf den Ball? Bill kann es kaum erwarten!« Nach Bills
Miene zu schließen, war diese Beschreibung seines Zustandes nicht exakt, aber
er verhielt sich zumindest passiv.
    Jim richtete seine Radarstrahlen auf
mich und sagte ominös: »Was ist das für ein Ball?« Und sofort begann er eine
nächtliche Sondersitzung irgendeiner beliebigen Krankenhausbehörde zu ersinnen,
egal was für einen Abend Kate auch immer nennen mochte! Sie legte den Arm um
seine steifen Schultern und

Weitere Kostenlose Bücher