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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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mitschleppen, und wenn
du ihn knebeln mußt, und du wirst Augen machen, wenn du siehst, was Bill Logan
sich unter irgendeinem Kneipentisch hervorgeangelt und geheiratet hat, sie ist-«
Faiths Ton wechselte plötzlich aus einem hastigen Verschwöreralt in einen
lyrischen Sopran hinüber. »Ich komme schon, mein Schatz, eine Sekunde!« Dann
ein heiseres Flüstern: »Er ist zurückgekommen, um sein Journal zu holen — ich
rufe später an.«
    Der meinige war bereits ins Krankenhaus
gefahren. Ich begab mich ohne sonderliche Begeisterung nach oben und öffnete
die Schranktür. Ich hatte zwischen zwei langen Kleidern zu wählen — dem
schwarzen, das seit fünf Jahren nicht zur Ruhe gekommen war, es ließ sich in
den ersten Monaten der Schwangerschaft so schön als Umstandskleid verwenden —
und dem weißen, das meine Sommersprossen hervorhob und mir um den Bauch und die
Hüften zu eng war. Ich hatte das Gefühl, ewige Zeiten schwanger gewesen zu
sein. Ich knallte die Schranktür zu, zog mir irgendein Fähnchen an und fuhr in
die Stadt.
    Langsam spazierte ich die Fifth Avenue
entlang. Es war der erste Dezember, und in jedem Schaufenster hingen die
verlockendsten Wintertoiletten. Ich legte freilich keinen großen Wert auf Stil
und Mode, ich fand alles bezaubernd, was nicht gerade an mir herunterbaumelte.
Mari war drei Jahre alt, Sally zwei und Heidi einen Monat, und ich schwebte nun
seit fast vier Jahren in ballonartigen Kitteln herum. Vorsichtig näherte ich
mich Fritzis Schaufenster, bereit, vor Gier zu zittern und dann
davonzuschleichen.
    Fritzi ist ein Teufelsweib, die einen
ausgesuchten Geschmack und astronomische Preise hat, und es mit diabolischem
Raffinement versteht, in ihrem Schaufenster ein Kleid auszustellen, neben dem
alle anderen aussehen, als hätte man sie aus einem Missionsbündel
hervorgekramt. Diesmal stand ich wie angewurzelt da. Auf einem sanftgrünen
Teppich ruhte eine Kupferschale mit rosigbraunen Chrysanthemen. Ein
mattgoldenes Abendtäschchen hing aus einer körperlosen Hand herab, und die
rothaarige Modellpuppe, der das Gesicht fehlte, trug das schönste Kleid, das
ich je gesehen hatte. Hol der Teufel das Budget, dieses Kleid paßt zu mir, und
ich muß es haben!
    Mit stahlharter Entschlossenheit
öffnete ich die Plastiktür der grünen Samtschachtel, die Fritzis Salon
darstellt, und ging gleichsam verzückt zu dem Kleid, um es zu streicheln. Am
Saum war es brandrot, und dann durchlief es alle Schattierungen eines
nächtlichen Strandfeuers bis zu einem blassen Zitronengelb am Halsausschnitt.
Es bauschte sich leicht im Luftzug der Tür und sah aus, als züngelten Flammen
zum Himmel. Gerade als ich andächtig die Hand hob, um es zu streicheln, kamen
zwei parfümierte Verkäuferinnen — ihre Kleidung in schwarzem Grundton gehalten
— wie zwei Grenadiere auf mich zu.
    »Dürfen wir Madame behilflich sein?«
sagten sie unisono in geziertestem Ton. »Bitte, Platz zu nehmen!« Sie zeigten
auf einen scheußlichen rosa Hocker, die einzige vorhandene Sitzgelegenheit, und
befingerten ihre Perlohrgehänge. Der herzförmige Hocker erwies sich als einer
jener weichgepolsterten und ganz und gar heimtückischen Juxartikel, die unter
einem zusammensinken, so daß man wie ein Zwerg dasitzt und sich dementsprechend
klein und schäbig vorkommt. Ich raffte mich sofort wieder auf und streckte
hochmütig den Zeigefinger aus. »Das Kleid im Schaufenster will ich haben!«
    Ich starrte sie an, sie starrten mich
an. Schließlich sahen sie einander von der Seite an, machten auf ihren hohen
Absätzen kehrt, schaukelten davon und verschwanden in grauen Samtfalten.
Zwanzig Minuten lang war es still. Alle — auch ich — hofften, ich würde gehen.
    Dann beschloß Fritzi, mich in
Behandlung zu nehmen. Sie tauchte aus einer grauen Samtwelle hervor, sah mich
an, schüttelte sich und drehte mir den Rücken, um sich lange und liebevoll in
einem herzförmigen Spiegel zu betrachten. Dann strich sie die schwarze
Seidenbüste und den Bauch glatt, klopfte mit einem weißen Patschhändchen eine lavenaelfarbene
Locke zurecht und sagte, ohne sich umzudrehen: »Ja-a-a?« Ihr Kleid war
gleichfalls in schwarzem Grundton gehalten, hatte aber einen unerhört schicken
schwarzen Kranz aus Drahtnetz um den Hals.
    Wutschäumend sagte ich: »Das gelbe
Kleid im Schaufenster will ich haben!«
    Mit einer irritierten Handbewegung
glättete sie ihr schwarzseidenes Hinterteil und flüsterte: »Das Original?« Auf
dieses Signal hin erschienen die zwei

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