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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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schmiegte sich an ihn. »Aber hast du denn nichts
davon gehört, mein Schatz? Der Medizinerball! Dieses Jahr findet er im
Universitätsklub statt — am neunten Dezember — Faith gibt vorher eine
Cocktailparty — ihr Märchenonkel — Onkel John — du weißt doch! — der, der so
steinreich ist, kommt aus San Francisco mit seinem üblichen Vorrat allerletzter
Drinks.« Sie ließ Jim los und warf sich in einen Sessel, tausend Pläne im Kopf.
»Hoffentlich können wir uns auch etwas Lustiges ausdenken, damit wir nicht bloß
mit unserem ›Ätherrausch‹ anrücken. Es ist nicht so leicht, in puncto Alkohol
mit Onkel John zu konkurrieren!«
    Bill mischte sich ein. »Wir müssen in
den sauren Apfel beißen, Jim. Es wird uns nichts übrigbleiben, als hinzugehen.«
Sein Lachen klang unecht und zaghaft, er hatte unter Jim im Krankenhaus
gearbeitet und wußte offenbar nicht, zu wem er halten sollte. Drei Minuten lang
herrschte Totenstille. Ich widmete diese drei Minuten einem stillen Gebet. Dann
fing ich mit überschwenglicher Herzlichkeit an draufloszubabbeln, in genauem
Verhältnis zu dem geistesabwesenden Ausdruck in Jims Augen. Großartige Idee, am
besten, man ist das ganze Weekend bewußtlos. Wie hatte denn Kate sich bloß
etwas so Piekfeines wie ein Frühstück ausdenken können! Faith hat mich
natürlich angerufen, aber ich habe wirklich noch keine Zeit gehabt, mit Jim
darüber zu sprechen — drei kleine Kinder, immer nur eine Stunde dazwischen. Ich
habe mir das schönste Kleid der Welt gekauft und kann es kaum erwarten, es
Horden von Menschen vorführen zu dürfen — natürlich gehen wir hin — ich kann es
kaum erwarten, Onkel John wiederzusehen. Jim wird sich riesig freuen, er liebt
Gesellschaften, Cocktails und Bälle...
    Jims Leidenschaft für Gesellschaften,
Cocktails und Bälle äußerte sich darin, daß er eine Vase vom Kaminsims nahm und
sie wieder hinstellte, zweimal sein Feuerzeug anknipste und sorgfältig wieder
ausblies und uns einen giftigen Blick zuwarf. Dann ging er in die Küche hinaus.
Als er mit drei anämischen Drinks zurückkehrte — wenn er studiert, rührt er
keinen Tropfen Alkohol an, um nicht die Leistungsfähigkeit seiner grauen
Gehirnzellen zu beeinträchtigen schwatzte ich drauflos, als hätte ich die
finsteren Monate hindurch schiffbrüchig auf dem Nordkap gesessen und Kate und
Bill repräsentierten das erste Schiff, das den Eiswall durchbrochen hatte. Jim
sagte kein Wort. Natürlich blieben sie bis halb zwölf. Ich freute mich ja so
ungeheuer über ihren Besuch!
    Nachdem Jim endlich die Tür hinter
ihnen zugemacht hatte, saßen zwei weiße Falten an seinen Mundwinkeln, und er
sagte in gemessenem Ton: »Mary, du richtest mich zugrunde. Du weißt, daß ich
scharfe Sachen hasse. Du weißt, daß ich Frühstücksgesellschaften hasse. Du
weißt — «
    Ich unterbrach ihn. »Aber ja, mein
Schatz, ich weiß, und wir werden auch nicht mit den Millers frühstücken, aber
du kommst zu dem Ball, nicht wahr? Ich habe mir ein neues Kleid gekauft« — die
weißen Falten wurden noch tiefer — , »und ich bin die ganze Zeit schwanger
gewesen!«
    Er griff nach seiner Zeitschrift und
ging zur Treppe. »Ich werde mitkommen, aber du brauchst nicht den Eindruck zu
erwecken, daß ich dich im Keller eingesperrt halte und nur herauslasse, wenn
wir Gäste haben.«
     
    *
     
    Zwei oder drei Tage vor dem Ball
widmete ich jeden freien Augenblick den kleinen Schönheitswinken, die ich in
der Zeitung fand. Ich legte mir eine Eiweißmaske auf das Gesicht und vergaß a)
sie wegzuwischen, und b) daß ich gegen Eier allergisch bin. Das war am ersten
Tag. Zum Glück ging die Schwellung mit Hilfe von Benadryl und
Bikarbonatpackungen zurück. Ich versuchte, mein Haar auf verschiedene neue
bauschige Arten zu frisieren, um meine Persönlichkeit zu ändern. Der Kopf tat
mir weh, aber meine Persönlichkeit blieb unverändert. Ich schmierte mir alle
möglichen Nachtcremes, Tagcremes und Schönheitswässerchen ins Gesicht.
    Als ich am Sonnabend morgens erwachte,
an dem Tag, an dem der Ball stattfinden sollte, war ich nicht sonderlich
erstaunt, daß mir die Tränen über das mißhandelte Gesicht liefen. In den Augen
hatte ich ein komisches Gefühl, und die Lider waren ein wenig geschwollen. Ich
verzehrte zum Frühstück zwei Benadryltabletten, drei Vitamin-B-Präparate, zwei
Abdol und zwei Eisentabletten und badete meine Augen mit zwei verschiedenen
Augenwassern — einem medizinischen und einem kosmetischen, dessen

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