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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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liebevoll zu mir. »Lassen Sie mal sehen!« Er blickte mir mit
diagnostischem Eifer tief in die Augen, so daß sieb Duke, der auf mich wartete,
zu der Bemerkung veranlaßt sah: »Oh-oh, schau, wer mir da in die Quere kommt!«
Ohne sich um Duke zu kümmern, stand Milt auf und nahm meinen Arm. »Wir tanzen
zu einer helleren Lampe — ich muß mir das genauer ansehen.« Seine Stimme klang
zärtlich, aber ich wußte nur zu gut, was dahintersteckte — reine Freude
darüber, daß er in einer Wüste schaler Vergnügungen ein schönes Symptom
gefunden hatte. Geschmeidig und geschickt tanzte er mit mir unter einen
gewaltigen Kronleuchter und begann dann meine Lider hochzuheben und sich
überhaupt so zu benehmen, als ob wir uns ganz allein in dem ophthalmologischen
Zimmer seiner Praxis befänden.
    »Du lieber Gott, ist das ein
Prachtexemplar!« sagte er mit zerschmelzender Stimme. »Meiner Seel, das muß
Dean sehen!« Er drehte sich um und ließ seine Blicke eifrig durch den Saal
schweifen. »Bleiben Sie hier stehen!« Er rief Dean vom anderen Ende des Saales
herbei, wo der Arme melancholisch mit seiner Frau herumstelzte. Auch Dean war
Augenspezialist, auch ihn konnte kein gesegnetes Telefon erretten. Als er den
jubelnden Klang in Milts Stimme vernahm, ließ er den Arm seiner Frau los und
eilte herbei. »Schau dir das an!« Dean sah hin, nickte und leckte sich fast die
Lippen ab. Dann sagten sie beide wie aus einem Munde: »Holen Sie Ihren Mantel!
Wir warten auf Sie in der Halle.«
    Ich holte meinen Mantel und ließ auf
dem Tisch ein paar Zeilen für Jim zurück, dann folgte ich den beiden
glückseligen Ärzten die Klubtreppe hinunter. Als ich in Milts Auto stieg,
ermahnte er mich, nichts anzurühren. Mit meinem langen, bauschigen Abendkleid,
dem Täschchen und den Handschuhen war es mir unmöglich, diesen ärztlichen Rat
zu befolgen. Sie versicherten mir einmütig, ich hätte Keratokonjunctivitis, das
heißt eine Kombination von Horn- und Bindehautenzündung, es sei furchtbar
ansteckend, und sie wollten nicht, daß die gesamte Polsterung des Autos mit dem
verdammten Zeug beschmiert würde. Dann ignorierten sie mich völlig und
versanken in ein Labyrinth zehnsilbiger Wörter, alter Krankengeschichten und
verlockender Möglichkeiten, die eine Virusinfiltration der Cornea in Aussicht
stellten. Oder, wenn ich Glück hätte, Gewebenarben, die das Sehvermögen
beeinträchtigen, und als Hauptgewinn vierzig Grad Fieber. Es lief dann
eigentlich auf eine Fiebertherapie hinaus, die mit der Zeit den Virus
zerstörte. Ich sollte mir nicht einbilden, daß ich soviel Glück haben würde —
es sei das ein besonders seltener und interessanter Fall gewesen — während ich
— na, sie wüßten noch nicht, wie es sich bei mir entwickeln würde ..,
    Schaudernd hüllte ich mich fester in
meinen Mantel und nahm mir grimmig vor, irgendwie, irgendwo, irgend etwas ausfindig
zu machen, um die Herren Doktoren, die ihre Frauen tödlich erschrecken, tödlich
zu erschrecken. Nichts berühren! Ein ärztlicher Rat, genauso süß und
undurchführbar, wie wenn sie eine Mutter mit drei kleinen Kindern ermahnen,
alles liegen- und stehenzulassen und sich nur ja keine Sorgen zu machen...
    Mein rechtes Auge war zugeschwollen,
und das linke brannte entsetzlich. Sooft ich heimlich versuchte, mir die Augen
zu reiben, schrien sie beide: »Nichts berühren, sind Sie verrückt?« Kleine
blendend weiße Pünktchen tanzten in meinem Blickfeld herum, und das Wenige, das
ich noch erkennen konnte, wurde durch meinen Zorn verdunkelt. Ich trug mich mit
dem Gedanken, beide Hände an die Augen zu drücken und mir dann plötzlich die
Finger an ihren Gesichtern abzuwischen — ein präliminarer Bakterienkrieg da
kamen wir vor der Privatklinik an. Mit den Fingerspitzen zupften sie behutsam
an meinen Schulterpolstern, um mir aus dem Auto zu helfen, und führten mich zum
Aufzug.
    »Nichts berühren, Mary!« wiederholten
sie monoton, während sie das Licht in den Ordinationsräumen andrehten, mit mir
in das ophthalmologische Zimmer gingen, mir die verschwitzten Hände mit Lysol
abwuschen und mich auf den Untersuchungsstuhl setzten. Dann schickten sie sich
an, mich wie eine Arztfrau zu behandeln.
    Ich versuche zu resignieren und mich an
diese Haltung seitens der Berufskollegen meines Herrn Gemahls zu gewöhnen, aber
jedesmal, wenn ich eine ärztliche Untersuchung über mich ergehen lassen muß,
werde ich von neuem wild.
    Erstens setzen sie voraus, daß ich
widerspenstig sein würde

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