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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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Getränk und stellte fest, daß es
ein feines Aroma von Rosenwasser und Kokosnuß hatte, exotisch, sogar tropisch,
und offenbar sehr stark… »Sei vorsichtig, Mary!« sagte Jim. »Du hast lange
nichts getrunken, und wenn ich mich nicht sehr täusche, wird dieses Zeug die
gleiche Wirkung haben wie Cyklopropan.«
    Onkel John lachte jovial und klopfte
Jim auf den Rücken. »Es wird ihr nichts schaden — es ist ein ›Woodoo‹ — sie
kriegt bloß glänzende Augen davon. Es enthält nichts als guten alten Rum und
ein paar kleine Geheimnisse.«
    Meine Augen füllten sich mit Tränen und
begannen zu triefen — ein lästiges Getröpfel wie aus einer lecken Dachrinne.
Ich mußte mehrmals in Faith’ Badezimmer wandern, um neue Tusche aufzulegen.
Beide Augen waren fast zugeschwollen, so daß ich einen scheelen und
mißtrauischen Blick bekommen hatte, aber der›Woodoo‹ hatte immerhin das Gute
bewirkt, daß sie nicht mehr so grausam juckten.
    In Oakland scheint man der Meinung zu
sein, einmal sei keinmal, deshalb mixte uns Onkel John noch einen winzigen
Woodoo, bevor wir uns in den Klub begaben — das heißt nur uns Frauen. Die
Herren Doktoren lehnten einmütig ab bis auf Warren. Er ist Hautspezialist, und
da seine Patienten nie sterben und nie gesund werden, gehört sein Leben nach
sechs Uhr ihm. Warren genehmigte sich ein volles Glas. ›Eine Art
Präventivmittel.‹
    Wir kamen im Klub an, jeder der Ärzte
flüsterte dem Festordner die Tischnummer zu und wurde von der aufgeregten
Gattin zu seinem Stuhl geschleppt. Es waren eine Menge fremde Gesichter zugegen
und erfreulicherweise auch eine Menge alleinstehende Herren. Sämtlichen Frauen
lief ein Freudenschauer über den Rücken. Ausnahmsweise einmal würden wir nicht
gezüngen sein, miteinander zu tanzen oder zusammen mit sechs Leidensschwestern
wie Mauerblümchen am Tisch zu sitzen und auf die Rückkehr der Männer zu warten.
    Noch bevor wir Platz genommen hatten,
begann das Telefon zu klingeln, und die Herren Doktoren wurden guter Laune. Die
zwei oder drei Exemplare, die zurückblieben, standen vor der Wahl, galant zu
sein und sich herzkrank zu tanzen oder verirrte Junggesellen aus anderen
Berufszweigen aufzustöbern, die die Festung halten würden, während sie sich
fröhlich davonmachten, um erstaunten Patienten einen völlig überflüssigen
Krankenbesuch abzustatten. Als die Suppe serviert war, saßen sechs Frauen, zwei
Ärzte, ein Börsenmakler, ein Versicherungsagent und zwei Rechtsanwälte an
unserem Tisch. Jims Beitrag war ein etwas fadenscheiniger Börsenmakler namens
Duke Tucker. »Flier ist Duke, Mary. Er wird sich deiner annehmen, während ich
meine Visite mache.« Verlogenes Gelächter, ein hastiges: »Ich lasse sie in
guter Obhut zurück!« — und Jim rannte förmlich davon.
    Obwohl dieser Schachzug so durchsichtig
war, rührte er mich fast so sehr wie das Blumensträußchen. Ich hatte Jim oft
mit Duke geärgert und ihn im Laufe unserer Ehe sehr häufig und sehr ausführlich
als leuchtendes Beispiel zitiert. »Duke tanzt gern — er sagt, Tanzen ist ein
wichtiger Bestandteil des ehelichen Zusammenlebens.« Jim war der Meinung, Duke
sollte erst einmal selber heiraten und dann vom ehelichen Zusammenleben reden.
    Duke zog mit mir los, fand mein Kleid
reizend und mein Parfüm gefährlich, und hoffentlich sei meine Ehe unglücklich,
damit er Chancen bei mir habe! Er beugte sich dicht an mein Ohr. »Wird Jim
eifersüchtig werden, wenn ich egoistisch bin und den ganzen Abend mit Ihnen
tanze?« Ich rieb mir die tränenden Augen und murmelte: »Er wird Sie
wahrscheinlich bis an Ihr Lebensende gratis behandeln.« Duke drückte mich
fester an sich. »Kopf hoch, mein Schatz! Sie wissen, ich habe Sie davor
gewarnt, einen Arzt zu heiraten.« Er umarmte mich tröstend. Mir fiel ein, daß
er vielleicht meine triefenden Augen mißverstanden habe, und machte einen
neuerlichen zwecklosen Abstecher mit der Tuschschachtel. Inzwischen hatte die
schmerzstillende Wirkung des Woodoo nachgelassen, und meine Augen brannten wie
Feuer. Als ich an den Tisch zurückkehrte, setzte ich mich neben Milt Hanson,
der mißmutig ein Brötchen zerkrümelte. Seine Spezialität war Augenchirurgie,
und es passierte ihm selten, daß man ihn vom Tisch wegholte.
    »Milt, schauen Sie sich bitte meine
Augen an! Jim sagte, es sei ein Gerstenkorn, aber da muß man doch nicht immerzu
weinen, nicht wahr? Und die Augen tun mir verteufelt weh.«
    Sogleich erhellte sich seine Miene, und
er wandte sich

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