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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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garantierten, daß die Augen davon einen besonderen Glanz bekämen.
    Als Jim nach Hause kam, war er während
des Prozesses, den man Umkleiden nennt, dermaßen geistesabwesend und in sich
gekehrt, daß ich mich nicht traute, meine chronisch tränenden Augen zu
erwähnen, um nicht ein neues Hindernis zu errichten. Aber als die
Wimperntusche, welche Sorte ich auch wählte, nicht einmal so lange an einem
Auge haften wollte, bis das andere getuscht war, wurde ich schließlich schwach
und ging zu Jim. Er saß auf dem Bett und zerrte munter an seinen Schnürsenkeln.
    »Schau dir meine Augen an, ja! Sie sind
entzündet und tränen.« Er riß einen Schnürsenkel entzwei und begann zu
schimpfen.
    »Wahrscheinlich ein Chalazion...
Wetten, daß wir kein zweites Paar schwarze Schnürsenkel im Haus haben!« Er blickte
auf und sah mich mit zusammengekniffenen Augen böse an. Ich reichte ihm ein
neues Paar schwarze Schnürsenkel.
    »Ein Gerstenkorn? Das glaube ich kaum.
Ich habe schon öfters ein Gerstenkorn gehabt, es fühlt sich anders an. Das Zeug
juckt, und ich muß immerzu weinen. Die Tränen rinnen mir nur so übers Gesicht.«
    »Reuetränen, weil du mich zwingst,
diesen verdammten Ball zu besuchen!« Er seufzte und leitete ein neues
Ablenkungsmanöver ein, das mir gründlich vertraut war. »Meine Smokinghose ist
mir zu eng — macht es etwas aus, wenn ich einen dunkelblauen Anzug anziehe?«
    »Unmöglich! Du weißt sehr gut, daß
Faith Smoking verlangt hat. Außerdem hast du dir mein neues Kleid noch nicht
angesehen!« Ich drehte mich vor ihm hin und her, damit es richtig zur Geltung
käme. Er hielt den Kopf schief, ließ den einen Schuh in der linken Hand baumeln
und musterte mich sorgfältig von Kopf bis Fuß. »Mhm — ganz nett! Die Farben
stehen dir gut. Aber es sieht wie eine Art Negligé aus.«
    Er hatte mit teuflischer Sicherheit den
einen kleinen Zweifel getroffen, der mir, als ich es anprobierte, durch den
Kopf gegangen war. Ich zählte bis fünfundzwanzig und unterdrückte den heißen
Wunsch, ihn mit einem Schuh auf den Kopf zu hauen.
    »Steh natürlicher da! Du bewegst dich
immer noch mit Schwangerschaftslordosis — das Gelb macht sich gut um den Hals.«
Er ging zur Kommode und fing an, Hemden herauszureißen und auf den Boden zu
werfen. »Ich ziehe kein gestärktes Hemd an«, sagte er mit zusammengebissenen
Zähnen.
    »Ich habe dir ein weiches gefälteltes
Hemd besorgt — hier!« Ich zählte bis dreißig. Jim kontrollierte argwöhnisch die
Kragenweite und zog es an, zupfte daran herum, in der stillen Hoffnung, es
würde ihm zu ena sein. »Wo fahren wir zuerst hin? Ich muß noch schnell einen
Besuch machen. Ich komme mir immer so idiotisch vor, wenn ich im Smoking bei
einem Patienten erscheine.«
    »Ich habe dir doch erzählt, daß Onkel
John da ist — erinnerst du dich nicht? Faith’ Onkel.«
    »Du hast dich gehütet, diesen
verflixten Ball auch nur mit einem Wort zu erwähnen, das weißt du sehr gut!
Idiotische Veranstaltung! Ein Rudel von Schwachsinnigen, die
durcheinanderwackeln — zu dem Bumm-Bumm-Bumm, das ein anderes Rudel
haschischrauchender Fanatiker erzeugt...«
    »Onkel John hat die Ingredienzien einer
wunderbaren Mischung mitgebracht, die ›Woodoo‹ heißt. Die Mischung enthält
sieben Sorten Rum — schichtweise — und in Oakland läßt man obendrauf eine
Gardenie schwimmen, aber Faith sagt, sie denke nicht daran, Gardenien für zwei
Dollar pro Stück herumschwimmen zu lassen.«
    Jim knüpfte seine Krawatte und wandte
sich zu mir. »Gehen wir! Ich muß noch ins Krankenhaus.« Als wir zur Hintertür
gingen, langte er in den Kühlschrank. »Fang jetzt nicht zu essen an, Jim, du
weißt, bei Faith wird es Berge von Essen geben.«
    »Ich will nichts essen.« Er überreichte
mir eine Blumenschachtel. »Vielleicht möchtest du für deinen ersten Ball ein
Sträußchen haben!« Zwei herrliche Orchideen mit einem Seidenband umwickelt! Ich
küßte ihn stürmisch. »Jim! Genau die Farben meines Kleides! Wie konntest du das
wissen?«
    »Ich habe in den Schrank geguckt. Komm,
du kannst es im Auto anstecken!«
    Als wir hinkamen, waren die meisten
Gäste bereits versammelt. Onkel John machte den Barmixer und verteilte kleine
Gläschen, die wie gläserne Papierkörbe aussahen und mit einer köstlich
duftenden Flüssigkeit gefüllt waren. Die Frauen strahlten wie kleine Mädchen
bei einem Geburtstagsfest. Die Herren Doktoren, von wildem Argwohn erfüllt,
scharten sich um Onkel John. Ich kostete mein

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