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Setz dich über alles weg

Setz dich über alles weg

Titel: Setz dich über alles weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Bard
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kenne sie
von zu Hause her.«
    »Ich kann euch sagen, ich hätte ihr am
liebsten eine Ohrfeige gegeben!« Faith griff nach einer neuen Windel.
    Barbara Martin blickte auf. »Erzähl weiter,
je schlimmer, desto besser! Ich konnte nicht hingehen, ich hatte Wäsche.«
    »Die arme, kleine Frau muß offenbar
jeden Abend allein zu Hause hocken — « Rufe: »Das arme Kind, wie hält sie das
aus —!« Und: »Schön, sie hat genug Geld, um die Schlächterrechnung bezahlen zu
können — worüber beklagt sie sich?«
    »Aber hört doch zu!« Faith gab nicht
nach. »Sie sagt, die ganze Nachbarschaft wüßte, daß er mit seinen Patientinnen
ausgeht. Sie riefen Tag und Nacht bei ihm an. Sie hätten drei kleine Kinder,
das eine sei immerzu krank, und entweder sei das dem Arzt völlig gleichgültig,
oder er habe keine Ahnung, was zu tun sei. Das arme Frauchen würde brennend
gern essen gehen und sich ein bißchen amüsieren, aber er gebe ihr so wenig
Geld, daß sie sich jeden Cent vom Munde absparen müsse, um die Rechnungen
bezahlen zu können, und sie sei trotzdem immerzu im Rückstand.«
    Rufe: »Wer ist nicht im Rückstand? Was
bildet die sich denn ein?«
    Barbara sagte: »Bisher, Faith, klingt
es wie eine leicht verstümmelte Version eines deiner montäglichen
Telefonanrufe, wenn der Sonntag mit dem Herrn Gemahl und den Kleinen besonders
anstrengend gewesen ist.«
    Faith lachte. »Vergiß nicht, sie gehört
nicht zu dem Verein der Vernachlässigten — sie ist keine Arztfrau. Aber warte
nur, bis du den Grund erfährst, warum sie glaubt, daß die Frau sich scheiden
lassen will! Er kann sich nicht zu Tisch setzen, ohne vorher Cocktails zu
trinken, und es geht so weit, daß es die Patienten merken.«
    Barbara sagte: »Oh — wie schlimm! Was
ist das für eine schwachsinnige Person, die einer solchen Klatschbase ihr Herz
ausschüttet?«
    Maggie kam zu mir und legte den Arm um
mich. »Mir könnte das auch passieren. Und jeder anderen auch... Süße
Redensarten — die altbekannten süßen Redensarten — aus einem sauren Gemüt! Fast
jeden Tag falle ich drauf ‘rein, und ehe ich’s merke, habe ich mich schon
verplappert und plaudere Sachen aus, die niemand wissen soll, am allerwenigsten
die liebevolle Süßholzrasplerin!« Sie streichelte mich und murmelte: »Das alte
Krokodil!«
    »Was meinst du, Mary?« fragte Barbara.
    Ich legte die Windel weg, die ich in
meiner verkrampften Hand hielt. »Ich persönlich bin der Meinung, der Herr
Doktor kann von Glück sagen, wenn seine Frau eines Tages ihre kläglichen
Ersparnisse zusammenrafft und zum Scheidungsanwalt läuft... Ich glaube, die
Kinder schreien... ich muß gehen.«
     
     
     
    11

Sonnenflecken
     
    Edith Stokes beugte sich über das
Rednerpult und beendete mit vor Erregung bebender Stimme ihre Ansprache:
    »Sie haben keine Ahnung, was es für
diese zuckerkranken Kinder bedeutet, an den Strand zu kommen. Zum erstenmal in
ihrem Leben sind sie mit Kindern zusammen, die genau den gleichen
Einschränkungen unterworfen sind wie sie selber. Blaß, mager und verschüchtert
kommen sie im Lager an — braun, dick und voller Selbstvertrauen kehren sie in
die Stadt zurück. Glauben Sie mir, keine Mühe ist zu groß, um dieses Ergebnis
zu erzielen.«
    Sie setzte sich und wartete gelassen
auf den Ansturm der freiwilligen Helferinnen, die sich auf dem Altar ihres
neuesten Planes opfern würden — eine stadtumfassende Kampagne, um Gelder für
das Ferienlager zuckerkranker Kinder zu beschaffen.
    Maggie murmelte: »Weiß sie denn nicht,
daß sich die braven Arztfrauen ein Bein ausreißen werden, um Geld zu sammeln,
damit anderer Leute Kinder ins Strandbad gehen können, während ihre eigenen
armen Sprößlinge in der Stadt verschmachten!« Sie griff nach ihrem Täschchen.
»Gehen wir, bevor Edith sich erinnert, daß ich Laborantin war, und mich mit
Beschlag belegt!«
    Die Stokes haben keine Kinder, und
Edith benützt ihre verdrängten Mutterinstinkte, um für andere Kinder ganz
Großartiges zu leisten. Das Diabetikerlager zum Beispiel kann nur existieren,
weil sie dafür sorgt, daß die Subventionen reichen, daß die Spenden mit
keinerlei Bedingungen verknüpft sind und daß das Personal gut bezahlt und gut
untergebracht ist. Und was am allerwichtigsten ist — im Sommer fährt sie in ihr
Häuschen hinaus und überwacht das Lager mit Argusaugen. Ich fürchtete mich
immer noch ein wenig vor ihrer unbeugsamen Tüchtigkeit, aber meine Bewunderung
für ihre organisatorischen Fähigkeiten siegte

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