Setz dich über alles weg
zusammen — die Abende, und daß
Tag und Nacht das Telefon klingelt... Ich nahm den Hörer ab und teilte einer
zudringlichen Frauenstimme mit, daß Jim, falls er nicht in der Praxis sei, wahrscheinlich
auf dem Heimweg Krankenbesuche mache. Ja, ich würde ihn bitten, anzurufen —
nein, ich würde es nicht vergessen — ja, wenn ich könnte, würde ich ihn zu
erreichen versuchen... Fee hörte mit großen versonnenen Augen zu. Ich hängte ab
und sagte, ich hätte nichts dagegen, wenn sich diese lästige Person an einen
anderen Arzt klammern würde.
»Wie ist es denn eigentlich mit Jims
Patientinnen? Alle sind sie in ihn vernarrt — das weiß ich. Ich kann mir
denken, daß Sie sich die größten Sorgen machen — ich jedenfalls würde mir
Sorgen machen!«
»Ach, bei Jim käme ich nie auf solche
Gedanken! Erstens würden sie einen Gong schlagen müssen, damit er etwas anderes
beachtet als ihre Krankheit, und zweitens, wenn ich Arzt wäre und mir den
ganzen Tag das Jammern der Weiber anhören müßte, würde ich bei einer Frau Trost
suchen, mit der ich beruflich nie etwas zu tun hatte — falls ich Trost
brauchte! Außerdem, wenn alles andere versagt, gibt es immer noch die kleine,
unscheinbare Frage der Moral!« fügte ich hinzu.
»Natürlich sieht alle Welt, daß er toll
in Sie verliebt ist«, sagte sie selbstlos, »aber meine Mutter hatte eine
Freundin, die war mit einem Arzt verheiratet, und ich kann Ihnen sagen, die hat
ein trauriges Leben gehabt. Ihr Mann war immerzu in seine Patientinnen
verliebt, und sie saß ganz allein zu Hause, während er sie nach Strich und
Faden betrog.«
Ich war entschlossen, das Thema ›Der
Arzt als Gatte‹ abzuwürgen, und wenn ich einen Vortrag darüber halten müßte,
wie großartig Abraham Lincoln den Bürgerkrieg geschmissen hat. »Sind Sie bei
den Parkers zum Tee?« Seit einer Woche hatte sie die Frage erörtert, ob sie
hingehen solle oder nicht — die Parkers waren Verwandte und hatten sich noch
nicht bemüht, einen Gegenbesuch abzustatten.
»Sie haben uns noch immer nicht aufgesucht,
aber Web sagt, sie sind schon so lange hier, da haben sie sich wahrscheinlich
die guten Manieren abgewöhnt.« Sie spazierte zur Tür. »Ich habe mir ein neues
Kleid gekauft. Wenn Web es erfährt, wird er, mich wahrscheinlich verhauen,
außer er hat so viel getrunken, daß er es überhaupt nicht merkt. Nun, meine
Liebe, ich muß mich auf die Socken machen, Athlene fängt an, brummig zu werden.
Sie gehört so zu mir, wie ich zu ihr gehöre — ich war noch ganz klein, als sie
zu uns kam, aber hier gefällt es ihr nicht, und sie möchte nach Hause. Ich habe
ihr gesagt, wenn ich’s aushalten kann, so weit von zu Hause weg zu sein, müßte
sie es auch aushalten können, und sie sollte nicht mehr von zu Hause reden.«
Dann sagte sie mit einem verlorenen
Blick voller Heimweh:
»Sind Sie denn nie auf Jim böse, Mary?«
»Selbstverständlich! Ich kann so böse
werden, daß ich mich frage, warum ich mich verlobt, warum ich ihn geheiratet
habe — und ich sitze stundenlang über meinen Rechnungen und überlege, ob ich
genug beiseite schaffen kann, um die Kosten einer Scheidung zu bestreiten.«
Sie lachte. »Sie sind süß! Adjüs, meine
Liebe — ich muß laufen.«
Der Klub der Vernachlässigten säumte
Windeln für das Kinderkrankenhaus und sezierte privatim eine neue Arztfrau, die
man bei den Parkers kennengelernt hatte. Sie sei hübsch, etwas geleckt, aber
sehr alt, mindestens fünfunddreißig, und ihr Mann hatte zusammen mit Tod
Medizin studiert. Wahrscheinlich reich.
Faith blickte auf und sagte: »Sagt mal,
wer ist die Idiotin in unserer Mitte, die sich scheiden lassen will?«
»Wir würden uns alle scheiden lassen,
wenn wir unsere Männer lange genug erwischen könnten«, sagte Maggie, »- und
wenn wir nicht so viele Rangen in den Gerichtssaal mitschleppen müßten.«
Allgemeines zufriedenes Gelächter.
»Nein!« sagte Faith. »Ich meine es ganz
ernst. Gestern bei den Parkers saß ich neben einer hübschen, jungen Frau, und
sie erzählte mir von einem Arzt und seiner Frau, die neben ihr wohnen, und die
Frau wolle sich scheiden lassen, weil der Mann sie schlecht behandelt.«
Maggie blickte auf. »Ich möchte wetten,
sie hat krauses Haar und einen blauen Mantel mit einem Fuchskragen! Stimmt’s?«
»Ja. Hat sie es dir auch erzählt?«
Mein Herz tat einen hörbaren Satz.
»Mir weicht sie in großem Bogen aus.
Die berufsmäßige Südstaatlerin — solche gibt es zu Millionen — ich
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